Start Panorama Ausland Waffengewalt Türkei: Jeder Zweite besitzt eine Schusswaffe

Waffengewalt
Türkei: Jeder Zweite besitzt eine Schusswaffe

Die in den letzten Monaten in der Türkei aufgetretenen Fälle von Waffengewalt haben die Aufmerksamkeit auf einen erheblichen Anstieg des privaten Waffenbesitzes in diesem Land gelenkt.

(Symbolfoto: pixa)
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Ankara – Die in den letzten Monaten in der Türkei aufgetretenen Fälle von Waffengewalt haben die Aufmerksamkeit auf einen erheblichen Anstieg des privaten Waffenbesitzes in diesem Land gelenkt. Jüngsten Schätzungen zufolge kommt auf zwei erwachsene Männer eine Waffe.

Im Juli wurden bei einem Angriff auf ein Spirituosengeschäft im Istanbuler Stadtteil Esenyurt zwei Menschen getötet. Videomaterial von diesem Vorfall verbreitete sich rasch in den sozialen Medien und löste Schock und Empörung aus. Bei einem weiteren Vorfall kurz darauf im Stadtteil Gaziosmanpaşa verfehlte ein bewaffneter Angreifer, der es auf drei Personen in einem Taxi abgesehen hatte, sein Ziel und traf stattdessen den Fahrer.

Am selben Tag wurde auch ein 22-Jähriger in der südöstlichen Stadt Batman bei einem Schusswechsel getötet. Die jüngste Reihe von Vorfällen hat deutlich gemacht, dass der Waffenbesitz und der Zugang zu Schusswaffen in der Türkei zunehmen, wobei ein Großteil der Waffen nicht zugelassen ist und sich der Kontrolle der Behörden entzieht.

Nach Angaben der Umut-Stiftung, die Studien zur Vorbeugung individueller Bewaffnung durchführt, besitzt einer von zwei erwachsenen türkischen Männern und einer von drei Haushalten eine Waffe.

In einem Gespräch mit der türkischen Nachichtenagentur DHA sagte Dr. Ayhan Akcan, Vorstandsmitglied der Umut-Stiftung (Hoffnung), dass es in der Türkei etwa vier Millionen zugelassene Waffen gibt.

„Es gibt neunmal so viele illegale Waffen. Man geht davon aus, dass es in der Türkei fast 36 Millionen nicht registrierte Waffen gibt. Das bedeutet, dass einer von zwei erwachsenen Männern und einer von drei Haushalten Waffen besitzt. Es gibt auch einen Anstieg der Verbrechen im Zusammenhang mit Waffen“, sagte Akcan.

Er sagte, während vor 10 Jahren in 50 Prozent der Mordfälle Schusswaffen verwendet wurden, sei diese Zahl heute auf 85 Prozent gestiegen. „20 Prozent von ihnen werden (heute) bei häuslicher Gewalt eingesetzt.

„In der Türkei werden pro Jahr fast 5.000 Menschen mit Schusswaffen getötet. Wir stellen fest, dass sowohl die Verbrechen im Zusammenhang mit Waffen als auch die Zahl der Waffenkäufe jedes Jahr um 3,5 Prozent zunehmen“, sagte Akcan.

Als Lösung schlug Akcan vor, die Zahl der Waffenkäufe zu begrenzen, die „derzeit unendlich hoch“ sei.

„95 Prozent der Waffenbesitzer sind Männer, zwei Drittel sind unter 40 Jahre alt. Vor allem aber sagen 70 Prozent der Besitzer, dass sie eine Waffe zur Abschreckung tragen. Auch das stellt ein erhebliches Risiko dar. Mit anderen Worten: Die Waffe lädt zur Gewalt ein. Wer eine Waffe besitzt, hat ein fünfmal höheres Risiko, getötet zu werden“, so Akcan weiter.

„Der Staat sollte Maßnahmen gegen Waffengewalt ergreifen, wenn es tatsächlich seine Pflicht ist, die Sicherheit von Leben und Eigentum in diesem Land zu gewährleisten. Leider sind 8,5 von 10 Morden in der Türkei mit Schusswaffen begangen worden. Jeden Tag werden 10 Menschen getötet. Das sind ernste Zahlen. Eine von drei Familien ist davon betroffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Durchschnittsbürger auf der Straße auf eine Waffe trifft, ist erschreckend hoch. Dieses Thema muss vom türkischen Parlament aufgegriffen werden.“

Die Stiftung führt Studien zur Prävention der individuellen Bewaffnung durch.