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Jürgen Todenhöfer: Die Türkei ist ein wichtiger Partner

Jürgen Todenhöfer im Exklusiv-Interview: „Wir sind eine junge, weibliche und dynamische Partei, die diese Gesellschaft widerspiegelt“ – „Die Türkei ist ein wichtiger Partner und so sollten wir das Land auch behandeln“

(Foto: Sandra Feige)
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Fragen an den Spitzenkandidaten der Partei „Team Todenhöfer“

Es ist nicht der erste Wahlkampf von Jürgen Todenhöfer. Der 80-jährige Jurist und Autor bringt politische und parlamentarische Erfahrung mit. Zwischen 1972 bis 1990 war Todenhöfer Abgeordneter der CDU im Bundestag. 2020 kehrte er der Partei nach einem halben Jahrhundert Mitgliedschaft den Rücken. Mit seiner neuen Partei „Team Todenhöfer“ tritt er zur Bundestagswahl an. Wir haben mit ihm gesprochen.

Sehr geehrter Herr Todenhöfer, wie bewerten Sie den bisherigen Verlauf des Wahlkampfs in Deutschland?

Der Wahlkampf bestätigt uns eigentlich täglich in dem, was wir bereits zum Zeitpunkt unserer Parteigründung gesagt haben: Diese Regierung muss weg. Damit meinen wir wirklich alle, die zur katastrohpalen Situation unseres Landes in den letzten Jahren beigetragen haben. Die Kanzlerkandidaten sind drittklassig. Das beweisen sie immer wieder in den Triellen. Davon abgesehen wird in den Triellen der Fokus auf drei Parteien gelegt, die, wenn man es genau nimmt, nicht mal die Hälfte der Bevölkerung hinter sich haben. Das ist ein verzerrtes Bild, das den Wählerinnen und Wählern aufgezeigt wird. Vor allem bei diesem Wahlkampf wäre es fair und richtig gewesen, auch andere Parteien einzubeziehen.

Wie läuft der Wahlkampf für die Gerechtigkeitspartei? Was haben Sie in den letzten Wochen und Monaten für unvergessliche Eindrücke erlebt?

Wir haben immer wieder Erfolge gefeiert: zuerst die Gründung der Partei, dann die Anerkennung als Partei und letztendlich die Zulassung zur Bundestagswahl 2021 in 15 von 16 Bundesländern. Unser Wahlkampf motiviert uns ungemein. Besonders geprägt hat mich mein Besuch in Hanau, der am emotionalsten war. Wir müssen viel konsequenter gegen diesen Hass vorgehen, bevor es zu spät ist. Dafür werden wir uns auch weiterhin einsetzen.

Wir kriegen enorm viel Zuspruch von den Wählerinnen und Wählern. Nicht nur auf unseren Kundgebungen, die im Rahmen unserer Wahlkampftour seit April dieses Jahres stattfinden. Auch auf der Straße, beim Straßenwahlkampf und beim Anbringen unserer Wahlkampfplakate, bekommen wir viel Zuspruch für unsere Partei und für das, wofür diese Partei steht. Unsere Wahlkampfkundgebungen, für die wir in mehrere Städte Deutschlands gefahren sind, haben immer wieder mehrere hundert Bürger*innen angezogen – mehr als bei den Kundgebungen der Grünen und Co.

Der Wahlkampf zeigt aber auch, wie schwierig es neuen/kleineren Parteien gemacht wird. Die Presse beachtet uns kaum und auf Facebook und Co. wird die Reichweite unserer Beiträge immer wieder eingeschränkt, so dass bestimmte Beiträge nur wenigen angezeigt werden.

Todenhöfer bei einer Wahlkampfveranstaltung in Frankfurt am Main am 12.Juni 2021 (Foto: Sandra Feige)

Ihren Wahlkampfschwerpunkt haben Sie auf Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg gelegt. Marginalisieren Sie Ihre Partei damit nicht?

Unseren Schwerpunkt haben wir auf diese beiden Bundesländer gelegt, weil dort zum einen die meisten unserer Mitglieder herkommen und diese – wie auch Bayern – die bevölkerungsreichsten Bundesländer sind. Das heißt aber nicht, dass wir andere Bundesländer und Regionen vernachlässigt haben. Während unserer Wahlkampftour waren wir in ganz Deutschland unterwegs. Berlin, München, Frankfurt, Dresden, Hannover, Hamburg, Bremen, Schwerin und andere Städte haben wir ebenfalls besucht und es waren jedes Mal unglaubliche Erfahrungen. Wir sind bundesweit sehr gut aufgestellt, haben in allen Bundesländern Landesverbände gründen können und sind in 15 von 16 Bundesländern mit einer Landesliste vertreten.

Auf Ihrer Internetseite weisen Sie auf eine demoskopische Untersuchung hin: Eine repräsentative INSA-Umfrage mit 10.000 Wahlberechtigten habe kürzlich ergeben, dass neun Prozent der Befragten sich vorstellen können, die Gerechtigkeitspartei bei der Bundestagswahl mit der Zweitstimme zu wählen – obwohl lediglich 30% der Befragten die Partei zum Zeitpunkt der Befragung überhaupt kannten. Wieviel Prozent trauen Sie Ihrer Partei am Abend des 26. September objektiv und realistisch zu?

Diese Umfrage hat vor dem Beginn unserer Plakataktionen stattgefunden. Um zu überprüfen, wie sich unsere Plakate auf die Bekanntheitswerte unserer Partei auswirken, haben wir eine weitere Umfrage im September in Auftrag gegeben. Zwar mit weniger Befragten, aber das Ergebnis ist dennoch bemerkenswert. Kannten uns zu unserer ersten Umfrage lediglich 30%, waren es bei der zweiten Umfrage bereits 42%. 12% der befragten Wahlberechtigten konnten sich grundsätzlich vorstellen, unsere Partei zu wählen. Schaut man sich die aktuellen Prognosen an, liegen die nicht-etablierten Parteien zwischen 8 und 11 Prozent. Das sieht also alles sehr vielversprechend aus.

Viele Menschen sehen zwischen den „Parteien der Mitte“ kaum noch Unterschiede. Können Sie bitte kurz auf die Hauptunterschiede zwischen der Partei „Team Todenhöfer – Die Gerechtigkeitspartei“ und den etablierten Parteien hinweisen?

Der Hauptunterschied ist erstmal der, dass wir als nicht-etablierte Partei noch wissen, was die Menschen in diesem Land wirklich beschäftigt und wo die wirklichen Probleme liegen. Der überwiegende Teil unserer Landeslistenkandidat*innen ist jung und weiblich. Diese Menschen wollen wir im Bundestag sehen. Die etablierten Parteien wissen schon lange nicht mehr, was die Menschen da draußen wirklich bewegt und wo sie sich Veränderungen wünschen. Die Politikerinnen und Politiker sitzen meist seit vielen Jahren im Bundestag und wissen nicht mehr was es heißt, einem normalen Beruf nachzugehen und welche Schwierigkeiten und Herausforderungen damit verbunden sind. Es geht ihnen vielmehr darum, ihre eigene Karriere in Schwung zu halten, als dass sie für das Volk da sind. Genau das wollen wir verändern. Indem wir dieses Problem an der Wurzel anpacken und uns dafür einsetzen, dass Politiker*innen nur noch zwei Legislaturperioden in ihrem Amt bleiben dürfen.

Wieso sollten die Menschen Jürgen Todenhöfer und sein Team wählen?

Weil wir konsequent gegen Krieg sind. Wir dürfen bei diesem Irrsinn nicht mehr mitmachen. Die Anti-Terror-Kriege des Westens sind alle gescheitert.

Weil wir alle gesehen haben, dass es mit den etablierten Parteien nichts wird. Sie haben uns gezeigt, wie sie mit Krisen umgehen können. Nämlich gar nicht. Wenn uns Corona eins gelehrt hat, dann doch, dass diese Regierung endlich ersetzt werden muss. Durch eine junge, weibliche, dynamische Partei, die diese Gesellschaft genauso widerspiegelt, wie sie ist: nämlich bunt.

Die Mitglieder unserer Partei sind überdurchschnittlich motiviert. Sie wollen dieses Land voranbringen. Sie wollen anpacken. Das brauchen wir jetzt. Wir können uns nicht zurücklehnen und hoffen, dass die etablierten Parteien das schon für uns regeln. Sie hatten genug Zeit dafür. Der Wechsel muss jetzt stattfinden. Für den Klimawandel, aber auch für all die Bewältigung der Probleme, die durch die katastrophale Corona-Politik dieser Bundesregierung entstanden sind und uns noch erwarten.

Unser Parteiprogramm bietet richtige Lösungen für die wirklichen Probleme dieses Landes. Bspw. beim Thema Klimawandel. Der Schwerpunkt der Grünen und ihr Lösungsansatz hierfür ist eine Marketinglüge: Das Elektroauto. Wer kann sich ein Elektroauto leisten? 90% der Weltbevölkerung jedenfalls nicht. Wir bauen auf grünen Wasserstoff als klimaneutralen Treibstoff.

Auf das Thema Rassismus haben wir einen Schwerpunkt gelegt. Wir wollen jede Art von Rassismus, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus härter bekämpfen. Wir müssen das als Gesellschaft ernst nehmen und alles dafür tun, dass so etwas wie Hanau oder Halle nicht noch einmal passiert.

(Foto: Sandra Feige)

Erstmals könnte in der Geschichte der Bundesrepublik eine Koalition aus drei Parteien die Regierung bilden. Falls Sie die Fünf-Prozent-Hürde überqueren sollten, haben Sie dann eine Priorität, mit wem Sie gerne mitregieren würden? Mit welchen Parteien besitzen Sie derzeit die größten Schnittmengen?

Wir sind anders als die anderen Parteien. Wir habe viele Alleinstellungsmerkmale. Wir wollen den anderen Politikertyp der anderen Parteien abschaffen. Es gibt für uns einige Themen, die nicht verhandelbar sind. Deutsche Kriegseinsätze, die nicht unserer Verteidigung dienen beispielsweise. Mit rassistischen Parteien würden wir niemals zusammenarbeiten. Weder mit der AfD, noch mit der NPD oder anderen rechten Parteien.

Wie sehen Sie die Zukunft der Europäischen Union? Gibt es eine Notwendigkeit für Reformen in der EU-Politik? Falls ja, welche? Kann die EU noch weitere Mitgliedsstaaten verkraften oder überdehnt sie sich damit etwa?

Wir treten für ein starkes Europa als Region stabilen Friedens ein. Wir stehen zu 100 Prozent hinter Europa. Wir sagen aber auch, dass Deutschland eine führende Rolle in Europa spielen sollte – auch als Vermittler.

Der wachsende Populismus und Nationalismus bereitet uns als Gesellschaft seit Jahrzehnten Sorgen. Auch auf europäischer Ebene gab es in den letzten Jahren immer mehr Regierungen mit einer rechtspopulistischen Regierungsbeteiligung. Wie ernst ist die Gefahr, dass sich diese Bewegungen in Europa durchsetzen? Was kann man dagegen tun?

Parteien wie unsere wählen! Parteien, die sich konsequent gegen Fremdenhass und die Spaltung unserer Gesellschaft stellen. Die Gefahr ist real. Weil die etablierten Parteien vielerorts schon so lange versagt haben und die Menschen sich von ihnen nicht repräsentiert fühlen.

Ist die AfD in Ihren Augen eine extremistische Gruppierung, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollte oder ist sie eher eine bürgerlich-konservative Partei, wie manche „Politiker der Mitte“ und Medien stets behaupten?

Die AfD ist ganz klar verfassungswidrig und sollte deshalb auch verboten werden. Aufgrund unserer Geschichte sollten wir menschenverachtenden Aussagen nicht auch noch eine Bühne im Bundestag bieten. Wenn wir es in den Bundestag schaffen, werden wir uns für ein Verbot dieser menschenverachtenden Partei einsetzen.

Sowohl Angela Merkel aber auch Horst Seehofer hatten Multikulturalismus für „gescheitert“ und „tot“ erklärt. Schließen Sie sich dieser Meinung an? Falls ja, warum? Falls nein, warum nicht?

Multikulti ist Realität und es liegt an uns, etwas daraus zu machen. Integration ist keine Einbahnstraße und wir können alle voreinander lernen. Deutschland ist bunt und darauf sollten wir stolz sein.

Wie sieht Ihre zukünftige Türkei-Politik aus? Sind Korrekturen im Vergleich zu Angela Merkel zu erwarten oder werden Sie die pragmatische Politik der Bundeskanzlerin fortführen?

Wir sollten mit der Dauerkonfrontation, die diese Regierung gepflegt hat, aufhören. Die Türkei ist ein wichtiger Partner und so sollten wir das Land auch behandeln. Wir sind für eine strategische Partnerschaft mit der Türkei.

Welche Fehler haben die NATO und Deutschland in Afghanistan gemacht und welche Lösungsvorschläge haben Sie für die Situation dort?

Der Afghanistan-Krieg war von Anfang an falsch. Ich habe schon vor dem Krieg vor den Konsequenzen gewarnt. Die NATO hat dort alles falsch gemacht, weil die das Land, die Kultur und die Menschen nicht kannte und ihnen gegenüber ignorant war. Afghanistan kann man nicht besetzen und besiegen. Die Verhandlungen mit den Taliban hätte man auch von Anfang an führen können. Stattdessen wurden fast zwei Jahrzehnte Krieg geführt und über die wahren Ergebnisse gelogen. Wem es wirklich um Menschenrechte geht, der muss auch jetzt – besonders jetzt – mit den Taliban verhandeln. Leider verstehen das die meisten Politiker immer noch nicht.

Sie sagen also, dass man die Taliban als Gesprächspartner akzeptieren sollte?

Wir ziehen Diplomatie immer dem Krieg vor. Das Krieg eigentlich nie eine Lösung ist, hat uns doch Afghanistan ganz deutlich vor Augen geführt. Wir müssen anfangen, auf zähe Diplomatie zu setzen. Ja, das ist oft anstrengender, als einfach ein Land einzunehmen. Aber es lohnt sich am Ende. Das heißt auch, dass man sich nicht aussuchen kann, mit wem man reden will. Reden müssen wir doch gerade mit unseren Feinden und nicht nur mit unseren Freunden. Deshalb sagen wir, dass wir Gesprächen mit der Taliban eine Chance geben sollten.

Wie sieht Ihr Lösungsvorschlag für die verfahrene Situation in Israel und Palästina aus? Gibt es überhaupt eine Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden dort?

Ich glaube, der wichtigste Schritt in Richtung Frieden ist erstmal der, die Palästinenser nicht wie Menschen zweiter Klasse zu behandeln und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich frei entfalten zu können. In Gaza fehlt es an allem. Auch hier ist Diplomatie ausschlaggebend. Anders werden wir dort nichts erreichen. Es muss Eingeständnisse von beiden Seiten geben. Wir glauben an einen Frieden, allerdings müssen hierfür erstmal die Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Yasin Baş

 

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