Ein Gastbeitrag von Can Ünal
Seit einigen Tagen bin ich wieder in Istanbul, der Metropole, die für mich in ihrer Art einzigartig auf der Welt ist. 7000 Jahre Geschichte, auf 2 Kontinenten gelegen, 16 Millionen Einwohner, das wirtschaftliche, kulturelle Zentrum der Türkei – war und ist die Stadt ein Schmelztigel. Und trotz ihrer enormen Ausdehnung und Größe kann man meiner Meinung nach diese Stadt am besten zu Fuß erkunden, auch wenn man davon Blasen bekommt.
Um die Türkei zu verstehen, ihre Zerissenheit, ihre Vielfältigkeit, ihre kulturellen Eigenarten, all das ist in Istanbul in vollen Zügen vorhanden. Das fängt schon am ersten Tag an – man landet auf einem der modernsten Flughäfen der Welt, die vor dem Bau von diversen Seiten kritisiert wurde (zu Unrecht) und nun einen elementaren Baustein der türkischen Wirtschaft darstellt, hin zu einem Abendessen mit Freunden in Arnavutköy, wo die Zahl der Luxuskarossen alleine in diesem Distrikt größer ist als in ganz Frankfurt.
Wir essen in einem sehr teuren Fischlokal, der Fisch ist ausnahmsweise nicht durchgegart, aber die dortigen türkischen Kellner agieren wie in den üblichen Lokantas – kaum hört man mit dem Essen kurz auf, versuchen die Kellner, einem die Teller wegzunehmen. Es war schon fast pure Satire, dass ich bei dem Abendessen regelrecht meinen Teller „beschützen“ musste, weil ich eben den Fisch genießen und mich dabei unterhalten wollte.
Die Freunde sind Ärzte, Unternehmer und Kemalisten. Und meine Bitte, keine Politik am Tisch, wird geflissentlich ignoriert und erst einmal kräftig gegen Araber und Afghanen gehetzt. Dabei klingen die Vorwürfe so absurd und lächerlich – aber wenn sog. gebildete Menschen als Quellverweis Twitternachrichten angeben, bin ich einfach nur sprachlos über soviel Ahnungslosigkeit. Dann immer wieder der Satz „man kann in diesem Land nicht leben“. Ich frage, was Ihnen fehlt und es kommen Sprüche wie „die Leute hungern“ und überall wäre es besser. Das in Deutschland Menschen Pfandflaschen sammeln und in USA quasi unter jeder Brücke Obdachlose hausen, wird ls typisches „Almanci“ Geschwätz abgetan.
Die nächsten Tage verbringe ich wieder mit Erkundungen zu Fuß und ich sehe überall ein Mikrokosmos von Diversifikationen, die ich nur in dieser Stadt finde und es deswegen liebe. Noch ein Reisetipp für alle Istanbulbesucher: der europäische Teil um Taksim und Sultanahmet ist teuer und zu stressig. Der asiatische Teil ist deutlich günstiger, genauso interessant und die Leute sind deutlich weniger hektisch. Meine Erkundungen führen mich dieses Mal zum anatolischen Teil von Istanbul, auch weil ich vorhabe, am Abend an einer Salsa-Party in Atasehir teilzunehmen, einem der aufblühenden Bezirke von Istanbul. Also erst einmal rüber mit dem Schiff nach Kadiköy, dann kurze Fahrt mit dem Bus nach Ümraniye und dann plane ich, bis Atasehir zu laufen. Dabei passiere ich Stadtteile, die nicht unterschiedlicher sein können und quasi aus einer anderen Welt stammen könnten. Abends bin ich dann in der angesprochenen Party und ich tauche wieder ein in die Welt der türkischen „Weißtürken“.
Und doch beobachte ich, dass das Tanzen eher dieses für mich nicht so angenehme türkische Art des „Vorzeigen und Protzen“ – Stils ist. Das Streben nach westlicher Anerkennung auf der einen Seite und die kulturellen Eigenarten und die Erziehung der Türkei auf der anderen Seite sind genau die Aspekte, die ich an diesen Menschen immer wieder feststelle. Mit einem der Besucher unterhalte ich mich und erkläre ihm, woher Salsa-Musik kommt und wieso und wie man auf diese Musik tanzt. Er schaut mich völlig ungläubig an und sagt, er möchte einfach „dazugehören“, weil Latin Dance einfach „in“ wäre. und nein – er ist kein Einzelfall. Und genau diese Oberflächlichkeit ist es, was mich schon seit Beginn meiner Reise stört.
Fortsetzung folgt..
Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
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