Start Geschichte Islam Das Geschenk der Miradsch-Nacht: Liebe zu Gott und zu den Menschen

Islam
Das Geschenk der Miradsch-Nacht: Liebe zu Gott und zu den Menschen

Die heutige Isr‘a und Miradsch-Nacht hat eine besondere Bedeutung für die Muslime. Traditionell verbringen sie diese Nacht im Gebet und im Gedenken. Diese Nacht gilt als segensreich – weil in ihr dem Propheten Muhammad die Himmelfahrt, von Mekka nach Jerusalem und von Jerusalem aus in das Universum, zuteilwurde.

Die heilige Moschee und die Kaaba in Mekka (Foto: pixa)
Teilen

Von Benjamin Idriz

Die heutige Isr‘a und Miradsch-Nacht hat eine besondere Bedeutung für die Muslime. Traditionell verbringen sie diese Nacht im Gebet und im Gedenken. Diese Nacht gilt als segensreich – weil in ihr dem Propheten Muhammad die Himmelfahrt, von Mekka nach Jerusalem und von Jerusalem aus in das Universum, zuteilwurde.

Ob es sich allerdings um eine körperliche oder seelische Reise handelt und wie ihr Verlauf aussah, darüber gehen die Meinungen der Gelehrten auseinander. So oder so, diese Himmelreise ist ein Wunder und ein besonderes Ereignis im Leben des Propheten, Friede sei auf ihn. Diese spirituelle Reise ereignete sich zu einer Zeit, in der die Unterdrückung der Muslime in Mekka den Höhepunkt erreichte. Der Prophet hatte seine zwei Unterstützer verloren: seine Gattin Hadidscha und seinen Onkel Abu Talib. Gott, der Barmherzige, nahm seinen in Bedrängnis geratenen Propheten in solch einer Zeit zu sich, um ihn zu trösten und zu ermutigen.

Das tägliche Gebet, welches auf dieser Reise als verpflichtet bestimmt wurde, ist der Trost und die Erleichterung für Menschen, die in Schwierigkeiten und Not sind. Die Miradsch bedeutet der Aufstieg eines menschlichen Wesens von der Hilflosigkeit in die Erhabenheit. Das Gebet als “Himmelfahrt der Gläubigen” ist ein Geschenk dieser Nacht. Das Wort für Gebet, arabisch salah, hat die Bedeutung von Verbindung und Beziehung. Salah ist eine transzendente, metaphysische Beziehung zwischen dem Menschen und Gott. Diese Verbindung zwischen Gott und dem Menschen ist ein Zeichen der wechselseitige Liebe zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf. Liebe ist keine Vernunftssache und so ist auch die Beziehung des Menschen zum Glauben eine Sache des Gefühls. Diese Liebesbeziehung ist das Ergebnis des Vertrauens, das tief im Herzen eingepflanzt ist.

Das Resultat dieser engen und direkten Beziehung ist gegenseitige Liebe (hubb): „Diejenigen, die Gott vertrauen/glauben, lieben Gott noch mehr!“ (2:165) und Zufriedenheit (rida). Diese zwei Eigenschaften der Beziehung, also Liebe und Zufriedenheit, sind im Koran sowohl für Gott als auch für Menschen bezeugt: „…die Er liebt und die Ihn lieben…“(5:54), “…Gott ist wohlzufrieden mit ihnen, und wohlzufrieden sind sie mit Ihm…“ (9:100). Weiter sehen wir im folgenden Vers, wie diese gegenseitige wohlwollende und aufrichtige Beziehung zur Glückseligkeit im Paradies führt: „Und am Gerichtstag wird Gott sagen: „heute wird ihre Wahrhaftigkeit allen nutzen, die ihrem Wort treu gewesen sind: ihrer werden Gärten sein, durch die Wasserläufe fließen, darin zu verbleiben jenseits der Zählung der Zeit; wohlzufrieden ist Gott mit ihnen, und wohlzufrieden sind sie mit Ihm: dies ist der höchste Triumpf“ (5:119).

Aus der engen Beziehung zwischen Gott und Mensch ist ein gemeinsames Attribut entstanden, mit dem Gott und Mensch bezeichnet werden: Vertrauenswürdig. Gott bezeichnet sich selbst als [al-mu’min], der absolut Vertrauenswürdige und derjenige, der das Vertrauen gewährt, und der an Ihn Glaubende heißt ebenfalls [mu’min], ein Mensch, der Gott vertraut und anderen Vertrauen schenkt.

Trotz Seiner absoluten Macht ist Gott nicht nur der Herrscher, der von der höchsten Stelle auf den Menschen schaut, sondern auch ein Freund, der neben dem Menschen, in ihm und mit ihm zusammen steht: „Und wenn Meine Diener dich nach Mir fragen – siehe, Ich bin nahe; ich erhöre den Ruf dessen, der ruft, wann immer er zu Mir ruft“. (2:186).

Der Glaube an Gott, īmān, ist mehr eine Herzens- und Liebesangelegenheit als eine Sache der Vernunft. So ist es auch mit dieser Himmelreise des Propheten, die unsere Vernunft herausfordern kann. Unsere Vernunft wird nie die Gewissheit des īmān erreichen. Jederzeit kann eine neue Erkenntnis aufkommen, die unser Verstand in Frage stellt. Īmān ist eine angeborene Überzeugung und eine Erkenntnis, die in der Seele verwurzelt ist, die die Vernunft übersteigt und somit Wissen und Herz stärkt. Denn der Glaube spricht eben nicht primär den Verstand des Menschen an, sondern sein Herz.

Entscheidend ist, was im Herzen liegt, und nicht auf den Lippen, in Behauptungen und äußerem Schein. Der Prophet bekräftigt das in einer seiner Aussage: „Gott achtet nicht auf euren Äußeres, sondern auf eure Herzen und Taten.“ Der Wert des Menschen bemisst sich also an dem, was in seinem Herzen liegt und was dieses Herz hervorbringt. Hat sich ein Mensch den īmān angeeignet, dann fühlt er diese Wahrheit in seinem innersten Wesen. Īmān umgeht den Verstand und das Herz nicht, sondern er wächst mit beiden, steigt höher und vervollständigt seine Bedeutung.


Amazon: Der Koran und die Frauen: Ein Imam erklärt vergessene Seiten des Islam


Der īmān an Gott ist Vertrauen auf Ihn. Wenn ich also sage: Ich glaube an Gott, sollte das eigentlich bedeuten: Ich glaube Gott, ich vertraue Ihm. Und dieser Glaube sollte sich über Gott hinaus in den Menschen manifestieren. Mit dem Herzen liebt man, fühlt und ahnt man. In der menschlichen Erkenntnisquelle, fu’ad, dem Herzen, ist die Wahrheit über Gott immanent: die Wahrheit über eine erhabene, nicht materielle Welt, der Traum von Ewigkeit.

Diese Nacht lehrt uns, dass es lediglich durch aufrichtige Absicht und entschiedene Bemühung möglich ist, höhere Ränge und Gottes Liebe zu erreichen. Die tägliche rituelle Waschung erfrischt und reinigt die äußeren Organe; die täglichen Gebete bescheren den Menschen Entspannung und Ruhe in der hektischen Welt.

Das Gebet im Koran wird im Zusammenhang mit der materiellen Unterstützung der Schwachen (107:4-7), mit der Überwindung von Schwierigkeiten durch die Geduld (11:114-115), wie auch mit der schönen Art und Weise des Umgangs mit den Menschen (2:83) erwähnt. Das Gebet im Islam, also, beabsichtigt, den Menschen dazu zu erziehen, täglich zum Frieden und zur Harmonie beizutragen. Das Gebet ist nicht das Ziel, sondern ein Mittel, ein Weg, das Ziel ist Vollkommenheit und Gutes erlangen.

Ich wünsche, dass diese segensreiche Nacht Gutes und Segen für unsere Gegenwart und Zukunft bringen möge.

Auch interessant

– Weltfrauentag –
Der Prophet Muhammed: Ein Kämpfer für Frauenrechte

„Während andere religiöse Führer seltsam schweigsam über die Unterdrückung der Frauen zu sein schienen, hob Muhammed den Status der Frauen als eine Angelegenheit der religiösen Überzeugung und der staatlichen Politik dramatisch an. Muhammad war mit Abstand der radikalste und ermächtigendste in seiner Behandlung von Frauen. Wahrscheinlich war er der erste Feminist der Geschichte“. Jim Garrison, Huffpost.

Der Prophet Muhammed: Ein Kämpfer für Frauenrechte