Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge
Die USA haben in Nordostsyrien, die von der Terrororganisation PKK/YPG besetzt gehalten wird, Patriot-Flugabwehrraketen in Stellung gebracht. Nach Ansicht des Sicherheitsexperten Mete Yarar wurde das US-Raketenabwehrsystem nördlich der Stadt Deir ez-Zor, die sich im Osten Syriens befindet, im Erdölfördergebiet Omar stationiert. In einem ersten Schritt, so Yarar im TV-Sender CNN Türk, seien die Radarsysteme der Patriots transportiert und aufgestellt worden. Die Aussage des Sicherheitsexperten deckt sich mit einer Meldung der spanischen Zeitung Atalayar, die bereits im Mai letzten Jahres über die Verlegung des amerikanischen Flugabwehrsystems in die Koniko-Gasfelder in der Region Deir ez-Zor berichtete.
Erwerb des S-400 Raketenabwehrsystems ist souveräne Entscheidung der türkischen Regierung
Die Stationierung des Patriot-Systems wirft Fragen auf, weil der NATO-Partner Türkei seit Jahren das US-Raketenabwehrsystem kaufen wollte und Washington eine Lieferung an Ankara abgelehnt hat. Nach der Zurückweisung entschied sich die türkische Regierung für den Erwerb des russischen Flugabwehrsystems S-400. Daraufhin entbrannte ein Streit zwischen beiden NATO-Staaten, da die USA die türkische Regierung aufgefordert haben, auf eine Inbetriebnahme zu verzichten und die S-400 außer Landes zu schaffen. Die Türkei lehnt die Forderung der US-Regierung ab, weil ein modernes Raketenabwehrsystem das Land dringend benötige und verwies auf die souveräne Entscheidung der türkischen Regierung.
Wenn die Informationen zutreffen und die USA tatsächlich das Flugabwehrraketensystem im Osten Syriens aufstellt haben, wäre die Frage, gegen welchen Gegner es eingesetzt werden soll? Hypothetisch betrachtet und unter Berücksichtigung der aktuellen Lage in Syrien sind vier Möglichkeiten vorstellbar.
A: Terrororganisation DAESH/IS
B: Russland
C: Schiitische vom Iran unterstützte Milizen, die in Syrien operieren
D: Türkei
A
Die Terrororganisation DAESH/IS hat keine Flugzeuge, Marschflugkörper oder ballistische Raketen, mit dem sie Ziele in den von der PKK/YPG besetzten Gebieten angreifen könnte. Militärisch gilt die Terrororganisation als besiegt und stellt keine Gefahr dar. Daher kommt das Beispiel A nicht in Frage.
B
Russland unterstützt in Syrien Präsident Assad und seine Armee hat sich aber bisher nicht in der Einflusszone der USA in Nordostsyrien eingemischt. Eine direkte Konfrontation der russischen Armee mit den Vereinigten Staaten in Syrien erscheint derzeit nicht realistisch. Die Möglichkeit B ist sehr unwahrscheinlich.
C
Israel fliegt regelmäßig Angriffe gegen Stellungen von Milizen, die vom Iran in Syrien unterstützt werden. Die von der US-Luftwaffe vor einigen Tagen durchgeführten Luftangriffe gegen vermutete militärische Einrichtungen schiitischer Milizen ist eher die Ausnahme. Iran steht in Syrien auf der Seite von Assad. In diesem Fall spricht nichts für Fall C.
D
Aus Sicht Ankaras handelt es sich bei den „Demokratischen Kräften Syriens“ um einen verlängerten Arm der Terrororganisation PKK/YPG, die in Syrien durch ethnische Säuberungen, gewaltsame Vertreibungen sowie einer Politik der verbrannten Erde versucht, einen Terrorstaat in Nordostsyrien zu gründen und dabei von den USA mit Waffen, Ausbildung, Logistik und finanziell unterstützt wird. Exemplarisch sei hier an die völkerrechtlich illegale Erdölförderung in den von der PKK/YPG besetzten Gebieten erinnert, bei dem ein US-Energieunternehmen das Öl fördert und die Einnahmen aus dem gesetzwidrigen Erdöl-Verkauf in die Kassen der Terrororganisation fließen.
Die Türkei hat die Vereinigten Staaten wiederholt aufgefordert, ihre Waffenlieferungen an die PKK/YPG in Syrien einzustellen, dem US-Regierungen nicht nachgekommen sind. Ankara sieht durch die Anwesenheit der PKK/YPG in Syrien seine Sicherheit bedroht und hat durch mehrere Militäroperationen dies zum Ausdruck gebracht.
Die USA sehen in der PKK/YPG, einen „Verbündeten“, der im Kampf gegen die Terrororganisation DAESH/IS sich bewährt habe, obwohl die organisatorische und ideologische Vernetzung zwischen der PKK und ihrem syrischen Ableger YPG unverkennbar ist. Unter Berücksichtigung der divergierenden Interessen zwischen den USA und der Türkei sowie der amerikanischen Unterstützung der Terrororganisation PKK/YPG ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich die Patriot-Raketenabwehrsysteme in Syrien gegen die Türkei richten.
Mit der Stationierung von Patriot-Flugabwehrraketensystemen durch die USA in Syrien wäre eine weitere Eskalationsstufe in den Beziehungen zwischen den USA und der Türkei erreicht, weil diese sich offen gegen die Türkei richtet. Washington beabsichtigt damit einen möglichen Angriff der türkischen Armee gegen die PKK/YPG zu verhindern.
Jetzt ist es offensichtlich, warum die US-Administration seit Jahren sich gegen einen Verkauf von Patriot-Flugabwehrraketen an die Türkei ausgesprochen hat und weshalb aus US-Sicht Ankara keine russischen S-400 Flugabwehrsysteme erwerben sollte. Der US-Plan zur Errichtung eines „PKK/YPG-Staates“ in Syrien ist Bestandteil des teilweise abgeänderten „Greater Middle East Project“ zur gewaltsamen Änderung der Staatsgrenzen von zahlreichen Ländern im Nahen Osten und in Nordafrika.
Dieser Gastbeitrag gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
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