Start Politik Ausland Zypernfrage Zwei-Staaten-Lösung entspricht dem Status quo auf Zypern

Zypernfrage
Zwei-Staaten-Lösung entspricht dem Status quo auf Zypern

Der neu gewählte Präsident Nordzyperns (der Türkischen Republik Nordzypern/TRNZ), Ersin Tatar, hat dieser Tage die Zypern-Beauftrage der Vereinten Nationen Jane Holl Lute zu einem Gespräch empfangen. Bei dieser Unterredung hat Tatar auf die jahrzehntelangen ergebnislosen Zypern-Verhandlungen zwischen dem Nord- und Südteil der Insel hingewiesen.

(Screenshot/Wikimedia)
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Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge – kboelge@web.de

Der neu gewählte Präsident Nordzyperns (der Türkischen Republik Nordzypern/TRNZ), Ersin Tatar, hat dieser Tage die Zypern-Beauftrage der Vereinten Nationen Jane Holl Lute zu einem Gespräch empfangen. Bei dieser Unterredung hat Tatar auf die jahrzehntelangen ergebnislosen Zypern-Verhandlungen zwischen dem Nord- und Südteil der Insel hingewiesen.

Die von den Vereinten Nationen vermittelten Gespräche sehen eine Föderation zwischen den beiden Volksgruppen vor. Es ist allerdings von Bedeutung, was damit tatsächlich gemeint ist, denn eine Einigung schien 2004 möglich, aber der griechische Südteil hatte in einer Volksabstimmung mit über 75 Prozent gegen den vom ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan vorgelegten „Annan-Plan“ gestimmt und der türkische Nordteil mit etwa 65 Prozent dafür.

Unterschiedliche Positionen beider Seiten

Es geht bei den Unterredungen im Prinzip um die Aufteilung der Macht in einem zukünftigen Staat. Während den Zyperngriechen ein Zentralstaat vorschwebt, in dem die Zyperntürken als Minderheit existieren, fordert der türkische Nordteil einen lockeren Staatenbund, in dem beide Volksgruppen rechtlich und politisch gleichberechtigt sind und eine Zusicherung, die die Türkei weiterhin als Garantiemacht in Zypern belässt. Der neue Präsident Tatar fordert aufgrund der bisher ergebnislosen Gespräche eine Zwei-Staaten-Lösung für die Insel. Der entscheidende Punkt besteht darin, dass die zyperngriechische Seite die zyperntürkische Volksgruppe nicht als gleichberechtigt betrachtet.

Mit der völkerrechtlichen Anerkennung als Republik Zypern, die die gesamte Insel repräsentiert, wurde der griechische Südteil 2004 in die EU aufgenommen, obwohl die Zyperngriechen mit großer Mehrheit gegen den UN-Plan gestimmt hatten. Damit wurde ein ungelöster Konflikt in die EU importiert und als dessen Mitglied versucht die zyperngriechische Administration und Griechenland politischen Druck auf die Türkei auszuüben, um Zugeständnisse in der Zypernfrage zu erreichen.

Die Situation in Zypern ist komplizierter als es auf den ersten Blick den Anschein hat

Es gibt einen international anerkannten Staat, der sich Republik Zypern nennt und 1960 gegründet wurde. Dieser Staat hatte eine Verfassung, die beiden Volksgruppen eine politische und rechtliche Gleichstellung garantierte. Vor der Gründung der Republik Zypern, die eigentlich aus einem Kompromiss zwischen Griechenland, Großbritannien und der Türkei resultierte, forderten die Zyperngriechen mit fanatischem Eifer einen Anschluss an Griechenland (Enosis), die verständlicherweise von den Zyperntürken abgelehnt wurde.

Der griechische Nationalismus und Hellenismus bewirkten eine Radikalisierung der zyperngriechischen Volksgruppe. Nach der Erlangung der Unabhängigkeit wollte sich die griechisch-zyprische Seite mit der Gleichberechtigung der zyperntürkischen Volksgruppe nicht zufriedengeben, da sie diese als Hindernis auf dem Weg zu einem Anschluss an Griechenland betrachteten.

Die Entrechtung der Zyperntürken

Die Zyperngriechen leiteten Maßnahmen ein, um die in der Verfassung verankerten Rechte der Zyperntürken zu beschränken bzw. aufzuheben. Eine Klage der zyperntürkischen Seite vor dem zyprischen Verfassungsgericht gab diesen recht, aber die Zyperngriechen hatten bereits angekündigt, dieses Urteil nicht zu beachten. Das Ergebnis war eine Verfassungskrise und der Rücktritt des Präsidenten des Verfassungsgerichts, dem deutschen Juristen Prof. Ernst Forsthoff, der zuvor von radikalen Zyperngriechen und von Präsident Makarios bedroht wurde.

Ich erwähne diese Ereignisse, um bestimmte Aspekte in der Zypernfrage besser verstehen zu können. Jener Makarios war es, der am 30. November 1963 einen 13-Punkte Plan vorlegte, um die zyperntürkische Volksgruppe zum Teil zu entrechten, darunter sechs Basisartikel, die in der Verfassung verankert waren. Dieser Schritt von Makarios bedeutete einen Verfassungsputsch, der das Ende des gemeinsamen Staates aus beiden Volksgruppen zur Folge hatte.

Ab Dezember 1963 wurden die zyperntürkischen Abgeordneten aus dem Parlament, dem Staatsapparat und in den Gemeindeverwaltungen entfernt oder entlassen. Mit dieser Maßnahme hatten die Zyperntürken keine Möglichkeit mehr auf ihr Anliegen Aufmerksam zu machen, da diese Positionen von Zyperngriechen übernommen wurden.

Pogrome gegen Zyperntürken

Es folgten Pogrome gegen die zyperntürkische Volksgruppe, ein Bürgerkrieg und ein Leben in Enklaven, die über der gesamten Insel verteilt waren und von griechisch-zyprischen paramilitärischen Gruppen belagert wurden. Dieser Zustand dauerte bis 1974 an, also bis zu jenem Zeitpunkt, als ein von der griechischen Militärjunta initiierter Militärputsch Präsident Makarios stürzte und die Garantiemacht Türkei militärisch intervenierte.

Die Zyperngriechen haben die Republik Zypern usurpiert

Was heute international als Republik Zypern anerkannt ist, ist ein Staat, der de facto von Zyperngriechen dominiert wird und damit gegen die Grundsätze der Verfassung von 1960 widerspricht, die einen Staat aus zwei Volksgruppen vorsah. Nach Dr. Christian Heinze, dem ehemaligen Assistenten des zyprischen Verfassungsgerichtspräsidenten Prof. Forsthoff, haben die Zyperngriechen diesen Staat 1963 usurpiert, also widerrechtlich in Besitz genommen.

Es verwundert daher kaum, wenn die zyperngriechische Historiografie erst 1974 beginnt, weil das eigene dunkle Kapitel von 1963-1974 und damit das Schicksal der Zyperntürken ausgeklammert wird. Leider haben zahlreiche Medien im EU-Raum diesen Sprachgebrauch unkritisch übernommen, und immer wieder wird auf die „türkische Invasion von 1974“ hingewiesen, dabei aber oft nicht erwähnt, dass die Türkei neben Griechenland und Großbritannien nach dem Garantieabkommen von 1959 Garantiemacht ist, für die Unabhängigkeit, territoriale Integrität und die Sicherheit Zyperns zuständig ist und damit ein Interventionsrecht besitzt.

Die Militärintervention der Türkei von 1974 ist durch Garantievertrag gedeckt

Als die türkische Regierung 1974 unter Bülent Ecevit und Necmettin Erbakan in Anlehnung an das Garantieabkommen von 1959 in Zypern militärisch intervenierte, handelte sie rechtmäßig. Dass die Zypernfrage bis heute nicht gelöst wurde, liegt nicht, wie manche vielleicht vermuten, an der Türkei, sondern an dem Alleinvertretungsanspruch der Zyperngriechen die gesamte Insel zu repräsentieren, die den Zyperntürken die gleichen Rechte schlicht verweigern.

Aufgrund dieser Haltung der zyperngriechischen Führung, den Zyperntürken die gleichen Rechte zuzugestehen, hat das zyperntürkische Parlament 1983 die Türkische Republik Nordzypern proklamiert, auch wenn dieser Staat derzeit nur von der Türkei anerkannt ist, erfüllt es juristisch betrachtet alle Kriterien, um als souveräner Staat zu gelten.

Von manchen Beobachtern wird gelegentlich auf die Abhängigkeit Nordzyperns von der Türkei hingewiesen, dabei aber nicht erwähnt, dass ein von der zyperngriechischen Seite initiiertes Embargo gegen Nordzypern jeglichen Handel mit anderen Staaten untergräbt und damit die wirtschaftliche Entwicklung torpediert. Die Forderung des zyperntürkischen Präsidenten Tatar nach einer Zwei-Staaten-Lösung entspricht dem Status quo auf der Insel und den seit Jahrzehnten fortgesetzten ergebnislosen Zypern-Gesprächen.


Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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