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Gastbeitrag
Kommentar: Muhammed Karikaturen – Blasphemie oder Meinungsfreiheit?

Jedem Staat und jeder Gesellschaft steht es in einer Demokratie zu, die Grundlagen des friedlichen Zusammenlebens zu definieren und als Gesetz in ihrer Verfassung zu verankern.

Der Koran (Symbolfoto: pixa)
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Ein Gastbeitrag von M. Teyfik Oezcan

Jedem Staat und jeder Gesellschaft steht es in einer Demokratie zu, die Grundlagen des friedlichen Zusammenlebens zu definieren und als Gesetz in ihrer Verfassung zu verankern. Der französische Staat hat vor ca.100 Jahren den Laizismus (Trennung von Staat und Religion) eingeführt und so die Religionen praktisch für Privatsache erklärt, um die weitreichende Macht und den großen Einfluss der Kirchen auf die Gesellschaft sowie Politik nachhaltig zu brechen. Aus diesem Grund stellt Blasphemie heute in Frankreich keinen hinreichenden Straftatbestand dar.

Da Deutschland sich im Gegensatz zu Frankreich aber nicht als laizistischer, sondern als ein säkularer Staat versteht, existiert bei uns der § 166 StGB, Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen:

„Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Jetzt stellt sich der interessierte Bürger die Frage, kann man im laizistischen Frankreich Karikaturen des Propheten Muhammed auf öffentliche Gebäude projizieren und sich dabei auf die Meinungsfreiheit berufen oder werden hier schon die Grenzen der moralischen Normen überschritten? Die Freiheit des Individuums hört aber in Demokratien da auf, wo die Würde eines anderen Menschen verletzt wird.

Sich bei der Blasphemie lapidar auf die gesetzlich festgeschriebene Meinungsfreiheit zu berufen, ist eine Debatte, die nicht nur von zynischer Natur zeugt, sondern auch die ganze Verlogenheit der Debattenkultur offenlegt.

Dies zeigt sich eindrucksvoll in der öffentlichen Zurschaustellung von Karikaturen unserer Propheten, was alles unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit geduldet werden muss, aber einen Mythos, wie den angeblichen Genozid an den Armeniern, der bei einer Leugnung unter Strafe stellt wird, aber vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt wird. Eine eingehende Untersuchung der Vorfälle im ersten Weltkrieg durch eine international besetzte und unabhängige Historikerkommission unter Beteiligung der betroffenen Staaten wird nicht gefördert, damit die Wahrheit für die Öffentlichkeit im Verborgenen bleibt und man dieses Thema permanent politisch instrumentalisieren kann.

Die Deutungshoheit über die Grenzen der Meinungsfreiheit obliegt der französischen Nationalversammlung, die der Verletzung der Gefühle von ca. 1,7 Milliarden Menschen bedeutungslos zusieht und damit zur Polarisierung sowie Radikalisierung der Gesellschaft im In- und Ausland maßgeblich beiträgt. Als Resultat dieser Gotteslästerung gibt es schon in einigen muslimisch geprägten Ländern einen Aufruf französische Produkte zu boykottieren, um damit gegen die dekadente Politik des Präsidenten Frankreichs Macron öffentlich zu protestieren.

Um einen Erklärungsversuch für diese Provokation zu starten, ist es von Bedeutung, das politische Kalenderjahr 2020 für Macron einmal Revue passieren zu lassen. Das Jahr 2020 wird in die Annalen als das Jahr der Demütigungen und Niederlagen des französischen Präsidenten eingehen, der weder eine vernünftige Lösung in der Innenpolitik für die Gelbwestenproteste vorlegen konnte und die Aufstände durch brutale Polizeigewalt versuchte einzudämmen, noch bisher in der Lage war, im Gegensatz zu Deutschland, die Coronakrise ohne größere Todesfälle zu meistern.

Auch in der Außenpolitik hat er reihenweise Demütigungen über sich ergehen lassen müssen. In der Libyenfrage hat er, entgegen der westlichen Werte, auf die man in der Vergangenheit immer stolz war und mit Humanismus in Verbindung brachte, sich auf die Seite des Putschisten gestellt und nicht wie die Türkei den völkerrechtlich anerkannten Präsidenten unterstützt. Das Ergebnis ist hinlänglich bekannt. Durch die aktive Unterstützung der Türkei hat der amtierende Präsident Libyens wieder die Kontrolle über wichtige Regionen in Libyen bekommen und damit den Einfluss- und Machtbereichs Macrons und seines Putschisten stark eingeschränkt.

Ferner hat er sich beim Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei ebenfalls verzockt. Seinem Wunsch nach Sanktionen gegen die Türkei wurde von der Europäischen Union nicht stattgegeben. Als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet, ist er mit seiner aggressiven und einseitigen Politik persönlich gescheitert.
Anstatt die vermittelnde Rolle einzunehmen, hat er mit seiner aggressiven Rhetorik nicht zur Deeskalation der Gesamtsituation beigetragen, was ihm gut zur Gesicht gestanden hätte.

Auch im Armenienkrieg hat er das Völkerrecht wissentlich ignoriert und sich, innenpolitisch getrieben, bedingungslos an die Seite Armeniens gestellt und damit das Völkerrecht ad absurdum geführt. Bei dem Thema Libanon hat seine medienwirksame Intervention außerdem nicht zum gewünschten Ziel geführt, was die betroffenen Menschen ihm persönlich anlasten. In der Konsequenz wird er mittlerweile in vielen Regionen der Welt als Leichtmatrose verschmäht und verspottet.

In dieser schwierigen innenpolitischen sowie außenpolitischen Gemengelage versucht Macron mit Islamfeindlichkeit und Rassismus in der Innenpolitik zu punkten und geht dabei das kalkulierbare Risiko ein, das eigene Volk zu spalten und das Konfliktpotential zu erhöhen. Leidtragende sind zum einen die muslimische Bevölkerung, die unter Generalverdacht gestellt wird und zum anderen die Bürger, die nicht angstfrei ihrer beruflichen Tätigkeit, wie die des Lehrers, nachgehen können oder im Worstcase sogar Opfer von irregeleiteten und psychisch instabilen Kriminellen werden.

Der französische Präsident Macron sollte sich gut überlegen, ob es nicht an der Zeit ist, sein politisches Handeln unter dem Gesichtspunkt Respekt und Wertschätzung für Minderheiten zu reflektieren und damit einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden beizutragen.

Der Respekt vor Menschen, vor Religionen oder Weltanschauungen sollte die Grundlage unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens darstellen und darf nicht verhandelbar sein. Auch nicht vom französischen Präsidenten Macron!


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.