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Kommentar: Mögliche Hintergründe zum PKK-Anschlag

Die Botschaft der USA in Ankara veröffentlichte am 23. Oktober eine Mitteilung für US-Amerikaner und Bürger anderer Staaten, wonach die Vereinigten Staaten Informationen über potentielle Anschläge auf US-Bürger und Einrichtungen sowie ausländische Staatsbürger hätten, und rief die eigenen Landsleute zu Wachsamkeit auf.

(Foto: nex24)
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Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge – kboelge@web.de

Die Botschaft der USA in Ankara veröffentlichte am 23. Oktober eine Mitteilung für US-Amerikaner und Bürger anderer Staaten, wonach die Vereinigten Staaten Informationen über potentielle Anschläge auf US-Bürger und Einrichtungen sowie ausländische Staatsbürger hätten, und rief die eigenen Landsleute zu Wachsamkeit auf.

Normalerweise werden derartige sicherheitsrelevante Informationen zunächst mit den Behörden des betroffenen Staates ausgetauscht und nicht über die Webseite der diplomatischen Vertretung. So verwundert es kaum, dass der türkische Innenminister Soylu sehr verärgert auf die Mitteilung der US-Botschaft reagierte und auf die diplomatischen Gepflogenheiten hinwies.

Ausgerechnet fünf Tage nach der Terror-Warnung Washingtons hat sich ein PKK-Terrorist im südtürkischen Iskenderun nach einer Polizeikontrolle in die Luft gesprengt. Zwei Terroristen gelang zunächst die Flucht, bei dem der erste sich nach einer Verfolgungsjagd selbst in die Luft sprengte und der zweite fliehen konnte. Dieser wurde später von der Polizei gestellt.

Nach türkischen Medienangaben kamen beide Terroristen aus der syrischen Stadt Manbidsch, die sich unter der Kontrolle des Regimes in Damaskus befindet. Beide Extremisten sollen mit einem motorunterstützten Gleitschirm nach Hatay geflogen sein. Spezial-Einheiten der türkischen Armee fanden die Gleitschirme in einem Waldstück in den Amanos-Bergen. Anti-Terror Einheiten der türkischen Polizei führten in der Region seit Tagen Einsätze gegen PKK-Mitglieder durch.

Zusammenhang zwischen Warnung und Anschlag der PKK

Die Anschlagswarnung der US-Botschaft und die Vereitelung eines Anschlags durch türkische Sicherheitskräfte müssen im Zusammenhang gesehen werden mit den Entwicklungen in der gesamten Region und den angespannten Beziehungen zwischen der Türkei und den USA.

Die Anschlagswarnung der Vereinigten Staaten erfolgte nach dem erfolgreichen Test der russischen S-400 Flugabwehrraketen durch die türkische Armee an der Schwarzmeerküste. Die türkische Regierung hat zu den Tests kein offizielles Statement abgegeben, aber Präsident Erdogan hatte auf die Frage von Journalisten am 23. Oktober erklärt, die Türkei hätte die Tests des Flugabwehrsystems erfolgreich durchgeführt und wenn eine solche Möglichkeit der Nutzung bestehe, werde man dies in Betracht ziehen.

Die US-Regierung hatte sich wiederholt gegen einen Kauf der russischen Flugabwehrraketen durch die Türkei ausgesprochen und der Türkei mit Sanktionen gedroht. Was allerdings auffällt: Nur wenige Stunden nach der Bestätigung des erfolgreichen Tests der S-400 Raketen durch Präsident Erdogan kam die Anschlagswarnung der US-Vertretung in Ankara.

Das Anschlagsziel Iskenderun befindet sich an der Mittelmeerküste und nicht weit weg von der syrischen Grenze. Mit dieser Art von Terror-Warnungen der US-Vertretung hat die Türkei leidvolle Erfahrungen machen müssen, weil auch vor und nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 derartige Warnungen über einen möglichen Anschlag verbreitet und anschließend blutige Terroranschläge durch Daesh/IS und PKK verübt wurden.

Die Behörden von Staaten bekommen ständig Informationen über einen geplanten Anschlag und müssen diese auf ihre Ernsthaftigkeit hin überprüfen. Aber wenn, wie in diesem Fall, die USA eine solche Information über die Türkei erhalten haben, müssen sie diese mit den türkischen Verantwortlichen teilen und nicht über die Internetpräsenz der diplomatischen Vertretung. Wenn das nicht passiert, versucht der Staat, der diese Mitteilungen herausgibt, eine bestimmte Atmosphäre von Chaos und Unsicherheit in dem betreffenden Land zu erzeugen.

Es ist offensichtlich, dass hier mit dem Mittel der asymmetrischen Kriegsführung und dem Einsatz von internationalen Terrororganisationen die Verantwortlichen eines Landes zwecks Änderung der Politik gefügig gemacht werden sollen. Die Türkei und die USA verfolgen unterschiedliche Interessen im Kaukasus, im Nahen Osten, im östlichen Mittelmeer und in Nordafrika.

Hier eine kurze Auflistung der inoffiziellen Positionen Washingtons und der von Ankara:

Die USA drohen der Türkei bezüglich eines Einsatzes der Flugabwehrraken S-400 mit Sanktionen

Die Türkei betrachtet die Ankündigung als Einmischung in die Angelegenheit nationaler Souveränität und hat die Forderung stets zurückgewiesen.

Washington unterstützt die Terrororganisation PKK/PYD in Syrien massiv und versucht sie als Druckmittel gegen die Türkei einzusetzen.

Die Türkei hat im Syrien mehrere Militäroperationen durchgeführt, um die PKK/PYD aus der Grenzregion zu vertreiben. Ankara hat bereits angekündigt, wieder in Syrien militärisch zu intervenieren, falls das notwendig sein sollte. Im Irak operiert die türkische Armee seit Monaten gegen die Terrororganisation PKK.

Insgeheim unterstützen die Vereinigten Staaten bestimmte radikale terroristische Gruppen im syrischen Idlib, um diese dann möglicherweise gegen die Türkei einzusetzen.

Die Türkei versucht in Idlib eine Vertreibung von Millionen syrischen Zivilisten wie in anderen Regionen Syriens zu verhindern und arbeitet in diesem Zusammenhang mit Russland zusammen, auch wenn dies nicht immer gelingt. Die Türkei ist das Land, das bisher am erfolgreichsten gegen die Terrororganisation Daesh/IS gekämpft hat.

Die US-Regierung unterstützt beim Erdgasstreit den griechischen Teil Zyperns

Das ist ein Bruch des Garantieabkommens von 1959, das die Garantiemächte Großbritannien, Griechenland und die Türkei bestimmt hat.

Im östlichen Mittelmeer stehen die USA auf der Seite der EU.

Die Türkei beruft sich bei ihrer Argumentation zur Wirtschaftszone im östlichen Mittelmeer auf die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen.

Die US-Administration nutzt nach wie vor das terroristische Gülen-Netzwerk, um zusätzlich Druck gegen Ankara aufzubauen.

Die Türkei hat wiederholt die Auslieferung des Chefs des Gülen-Terrornetzwerks von den USA gefordert, der bekanntlich in Pennsylvania in einem Luxusanwesen lebt. Die Türkei macht Gülen für den Putschversuch vom 20. Juli 2016 verantwortlich.

Die Vereinigten Staaten unterstützen armenische Lobbyorganisationen, um deren revisionistischen Forderungen mehr Geltung zu verschaffen.

Die Türkei hat die Forderungen der armenischen Diaspora immer zurückgewiesen und zu einer gemeinsamen Historikerkommission aufgerufen, die von der armenischen Seite abgelehnt wurde.

Die USA haben Aserbaidschan wegen der Zusammenarbeit Bakus mit der Türkei mit Sanktionen gedroht.

Der aserbaidschanische Präsident İlham Aliyev hat die Drohung der US-Regierung zurückgewiesen.


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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