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Kommentar
Brüssel: Armenische Demonstranten greifen Journalisten an

Der Juli 2020 wurde durch eine Eskalation zwischen den verfeindeten Südkaukasusländern Armenien und Aserbaidschan gekennzeichnet, in der, auf beiden Seiten, über 15 Personen des Militärwesens, sowie zusätzlich ein aserbaidschanischer Zivilist ums Leben gekommen sind.

(Foto: AA)
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Die Hintergründe der jüngsten armenisch-aserbaidschnischen Zusammenstöße weltweit

Ein Gastkommentar von Javid Sadikhov (M.A. in International Relations and Diplomacy)

Der Juli 2020 wurde durch eine Eskalation zwischen den verfeindeten Südkaukasusländern Armenien und Aserbaidschan gekennzeichnet, in der, auf beiden Seiten, über 15 Personen des Militärwesens, sowie zusätzlich ein aserbaidschanischer Zivilist ums Leben gekommen sind.

In verschiedenen Städten Europas und in den USA wurden vor den jeweiligen Botschaften auch Kundgebungen organisiert. Bei diesen Demonstrationen gewann man zunehmend das Gefühl, dass die Gefechte aus der Südkaukasusregion gleichfalls in den amerikanischen und europäischen Städten ausgetragen wurden.

Brutalität in Los Angeles und Brüssel

Während der ersten Demonstrationen in europäischen Städten wurden bereits von der armenischen Seite Provokationsversuche unternommen, wobei sich beide Seiten in eine Prügelei verwickelt haben. Anders sah es in den USA, in der Stadt Los Angeles, aus, wo die armenische Diaspora sehr stark vertreten ist. Das war auch bei der Demonstration am 22. Juli 2020 vor dem aserbaidschanischen Konsulat deutlich erkennbar.

Die Zahl der armenischen Protestler machte über 3.000 Personen aus, während die Zahl der Aserbaidschaner lediglich 30 war. Von Anfang an war die armenische Seite sehr hitzig eingestellt. Vereinzelt fielen Gruppen auf, die, turnusmäßig in den eigenen Autos, stolz mit den armenischen Fahnen entlang der aserbaidschanischen Demonstranten patrouillierten, um diese zu beschimpfen und verbal anzugreifen.

Kurz nach der Demo gingen die armenischen Demonstranten aber nicht auseinander, sondern verfolgten die kleine Gruppe der Aserbaidschaner. Die Zahl der anwesenden Polizisten war sehr gering und sie konnten dementsprechend keine vollumfängliche Sicherheit gewährleisten. Zunächst wurden vereinzelt Aserbaidschaner von einer großen armenischen Gruppe verprügelt. Als Trophäe nahmen sie die aserbaidschanische Fahne und Transparente, um diese vor der Kamera demonstrativ zu zerstören oder zu schänden.

Brüssel war mein zweiter Schock

Ich analysierte gerade die Nachrichten sowie die Videos der armenischen Gewalttaten in den USA, als ich noch am selben Tag eine Nachricht aus Brüssel erhielt, dass auch hier eine gewalttätige armenische Masse ähnlich brutal gegen die Aserbaidschaner vorging. Diesmal gingen die Armenier aber noch einen Schritt weiter: Sie griffen sowohl die aserbaidschanische Botschaft, die Diplomaten, als auch Journalisten und die einfachen Protestler mit allen möglichen Mitteln an. Die Fenster der Botschaft wurden zerstört, einige Autos der Aserbaidschaner beschädigt.

Das war aber für diese aggressive Masse nicht genug. Vereinzelt lauerten armenische Gruppen an der Seite, um Aserbaidschaner zu verfolgen. In einem Video ist zu erkennen, wie zehn (!) Armenier zwei Aserbaidschaner verfolgen und sie daraufhin zusammen diese beiden Einzelpersonen verprügeln. Dabei hört man deutlich Beschimpfungen und Drohungen, wie: „Sage, dass ich ein Schafbock bin“, „Sage, dass Karabach zu Armenien gehört“ u. v. m. Diese chauvinistischen jungen Männer waren wie Zivilisten angezogen. Deren Schreie und Prügeleien waren aber durch eine derart gewaltverherrlichende Aggressivität motiviert, die für mich in keinster Weise nachvollziehbar oder zu rechtfertigen ist.

Die dargelegten Vorfälle führten dann dazu, dass einige aserbaidschanische Aktivisten noch in der Nacht zur Rache aufriefen. In derselben Nacht wurde Moskau bereits Austragungsort einer Schlachtszene zwischen den beiden Nationen. Am nächsten Tag gingen die verfeindeten Völker in Russland in unterschiedlichen Städten weiter brutal gegeneinander vor, u. a. wurden Cafés und Geschäfte überfallen. In der Ukraine beschoss ein Armenier sogar die Beine von zwei aserbaidschanischen Studenten.

Das Außenministerium der Republik Aserbaidschan verurteilte die Hassverbrechen armenischer radikaler Elemente gegen aserbaidschanische Diplomaten sowie gegen Mitglieder der aserbaidschanischen Gemeinschaften in diesen Ländern. Es wird von Baku erwartet, dass die Gremien in den jeweiligen Ländern, die für die Verhinderung solcher Provokationen verantwortlich sind, ihre Pflichten mit hoher Verantwortung erfüllen. Des Weiteren wird in der Erklärung darauf hingewiesen, dass die armenischen Provokationen, die in Frankreich, Großbritannien, Schweden, Polen, Australien, den Vereinigten Staaten, den Niederlanden und Belgiens sowie gegen die Einrichtungen der diplomatischen Vertretungen Aserbaidschans, als auch gegen aserbaidschanische Demonstranten, die ihre Meinung friedlich äußern wollten, begangen wurden, als strafrechtliche Handlungen betrachtet werden.

Warum wurden die Armenier bei den Demonstrationen ausgerechnet jetzt so aggressiv?

Wie ich bereits angesprochen habe, fanden früher bereits ähnliche Demonstrationen statt. Diese gestalteten sich aber bislang von der Seite der Armenier als weniger provokativ. Nach der Machtübernahme von Nikol Paschinjan sehen wir nunmehr eine neue Herangehensweise in Bezug auf die Ausrichtung der Beziehungen mit Aserbaidschan. Zunächst schlägt Paschinjan vor, dass das separatistische Regime von Bergkarabach direkt an den Verhandlungen teilnimmt. Natürlich lehnt Baku diese Aufforderung strikt ab.

Später erschüttert Paschinjan Baku mit der Aussage in Stepanakert (az. Khankendi): „Bergkarabach ist Armenien und Punkt“. Das Ganze führt zu einer Sackgasse in Bezug auf die Verhandlungen, die von der Minsker Gruppe der OSZE geführt werden. Im Juli 2020 provoziert Armenien Aserbaidschan erneut, indem die armenischen Streitkräfte weit von den besetzten Gebieten, in Richtung Tovuz, aserbaidschanische Militärposten angreifen. Das Ziel hinter diesem Angriff bestand darin, Russland in den Konflikt bezüglich des Vertrags über die kollektive Sicherheit (OVKS) einzubeziehen.

Dieser Versuch scheitert in einer Blamage, da Moskau erklärte, dass eine Unterstützung diesbezüglich nicht möglich ist. Nun möchte Paschinjans Administration den Konflikt im Ausland austragen, um die Unterstützung der Weltgemeinschaft zu bekommen. Dieser Aspekt ist sehr wichtig, weil man dadurch auch die Möglichkeit der Schutzverantwortung als Bestandteil des Völkerrechts für die Armenier einschalten kann. Worin aber liegt diese Besonderheit der Schutzverantwortung für die Armenier? Ein wichtiger Aspekt besteht dabei darin, dass die Weltgemeinschaft bei einem ethnischen Konflikt die beiden Konfliktparteien zur Entwaffnung und Versöhnung zwingen kann.

Paschinjans Administration möchte mit dieser Herangehensweise der Weltgemeinschaft demonstrieren, dass Armenier und Aserbaidschaner nicht zusammenleben können. Des Weiteren war das Ziel eine Einbeziehung der Aserbaidschaner in die Provokation innerhalb der europäischen Städte, was aber in der erwarteten Form nicht realisiert werden konnte. Falls jedoch Aserbaidschaner auf diese Provokation systematisch reagieren würden, hätte die armenische Seite sofort bei der Weltgemeinschaft auf die Anerkennung des separatistischen Regimes Bergkarabach plädiert. Ich kann schon jetzt vorhersagen, dass in vielen armenischen und pro-armenischen Nachrichtenagenturen diese Geschehnisse mit Sumgait verglichen und in diesem Zuge wieder Thesen zum Schutz der Armenier vor Aserbaidschanern aufgestellt werden.

Ich kann dennoch zum Unglück der Administration Paschinjans betonen, dass auch diese Pläne bereits gescheitert sind, weil die in Europa und den USA lebenden Aserbaidschaner auf die armenischen Provokationen nur rechtmäßig reagiert haben. Es gab Gewalttaten in Russland, aber auf beiden Seiten – von daher ist auch dieser Aspekt auszuschließen.

Die einzige Lösung des Konflikts um Bergkarabach ist nur durch eine Akzeptanz der vier verabschiedeten Resolutionen (822, 853, 874, 884) des UN-Sicherheitsrates zu finden, die einen bedingungslosen und unverzüglichen Rückzug der armenischen Streitkräfte aus den aserbaidschanischen Gebieten fordern.


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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