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Kommentar
Teil II: Absturz oder Mord? – Der Fall Muhsin Yazıcıoğlu

Es war der 25. März 2009, also vor 11 Jahren, als Muhsin Yazıcıoğlu, Vorsitzender der Partei der Großen Einheit (BBP), in der türkischen Stadt Kahramanmaraş an einer Wahlkampfveranstaltung teilnahm, um anschließend nach Sivas, seiner Heimatstadt, zurückzufliegen. Entgegen seiner Gewohnheit, fuhr Yazıcıoğlu nicht mit dem Auto, sondern mietete über sein Wahlkampfteam einen Hubschrauber.

(Screenshot/TRT Haber)
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Ein Gastkommentar von Kemal Bölge – kboelge@web.de

Es war der 25. März 2009, also vor 11 Jahren, als Muhsin Yazıcıoğlu, Vorsitzender der Partei der Großen Einheit (BBP), in der türkischen Stadt Kahramanmaraş an einer Wahlkampfveranstaltung teilnahm, um anschließend nach Sivas, seiner Heimatstadt, zurückzufliegen. Entgegen seiner Gewohnheit, fuhr Yazıcıoğlu nicht mit dem Auto, sondern mietete über sein Wahlkampfteam einen Hubschrauber.

In meinem gestrigen Artikel „Absturz oder Mord? – Der Fall Muhsin Yazıcıoğlu“, habe ich über die Ungereimtheiten beim Hubschrauberabsturz von Muhsin Yazıcıoğlu und seiner Begleiter am 25. März 2009 in Kahramanmaraş berichtet. Yazıcıoğlu war Vorsitzender der Partei der Großen Einheit (BBP). Obwohl den Rettungsteams absichtlich die falschen Koordinaten der Absturzstelle von Muhsin Yazıcıoğlu` abgestürztem Hubschrauber übermittelt wurden, versendete ein Mitarbeiter des polizeilichen Nachrichtendienstes in Kahramanmaraş gegen 17:40 Uhr eine Mitteilung an alle Polizeipräsidien der Provinzstädte in der Türkei, in dem erklärt wird, dass ein Bein von Yazıcıoğlu gebrochen sei und er mit dem Krankenwagen unterwegs in ein Krankenhaus sei. Die erste Information mit dem gebrochenen Bein war richtig, aber woher hatte dieser Mitarbeiter diese Information?

Es gibt jedoch weitere Punkte, über die ich heute schreiben möchte. Wie bereits dargelegt, hat der Journalist Ismail Güneş 23 Minuten nach dem Absturz des Hubschraubers über sein Mobiltelefon den Notruf 112 angerufen und um Hilfe gebeten. Zu diesem Zeitpunkt war er aber noch am Leben. Als bei der Autopsie in der Gerichtsmedizin der Leichnam von Ismail Güneş untersucht wurde, fiel den Medizinern der Kieferbruch von Güneş auf. Wie kann es sein, dass jemand, der einen Kieferbruch erlitten hat, den Notruf anrufen, reden und um Hilfe bitten kann? Das ist meiner Ansicht nach nicht möglich und deshalb ist die Wahrscheinlichkeit einer Gewalteinwirkung durch Dritte sehr hoch. Anders ausgedrückt, es müssen Personen an der Absturzstelle gewesen sein, die beim Schwerverletzten Ismail Güneş Gewalt angewendet haben.

Nachdem die Rettungsteams aufgrund falsch übermittelter Koordinaten erst 48 Stunden nach dem Absturz des Hubschraubers an die Unfallstelle gelangten und die Opfer nur noch Tod geborgen werden konnten, machte sich ein Unfalluntersuchungsteam der türkischen Armee auf den Weg zur Absturzstelle. Dort angekommen wurden zwei GPS-Geräte des Typs Argus 5000 und Skymap III C vom Hubschrauber abmontiert. Das waren jedoch zwei wichtige Beweismittel, die von „Soldaten“ abmontiert wurden.

Da zu diesem Zeitpunkt bei der Staatsanwaltschaft und beim Gericht in Kahramanmaraş Mitglieder von Fetö im Dienst waren, flog dieses wichtige Detail zunächst nicht auf. Auch auf Druck der Opfer-Anwälte eröffnete das Gericht später ein Verfahren gegen 10 Personen des Unfalluntersuchungsteams wegen „Diebstahls“. Das brachte den Rechtsanwalt der Familie Yazıcıoğlu auf die Palme, der von einer vorsätzlichen Entwendung der GPS-Geräte ausgeht, da diese Geräte wegen der Absturzursache des Hubschraubers wichtige technische Informationen hätten liefern können.

Das Unfalluntersuchungsteam habe auf Anweisung gehandelt und deshalb sei von einer organisierten Handlung auszugehen. Es gehe hier nicht um einfachen Diebstahl, sondern um die Entwendung von wichtigen Beweismitteln, die zur Aufklärung des Absturzes beitragen könnten. Ein Teil der Beschuldigten des Unfalluntersuchungsteams gaben bei der Vernehmung an, sie hätten die GPS-Geräte aus „technischer Neugier“ entwendet und hätten keine andere Absicht verfolgt.

Die anderen Beschuldigten gaben an, sie hätten keine GPS-Geräte am Helikopter gesehen. Den Angaben der Beschuldigten widersprach ein Fetö-Mitglied (Yusuf Yiğit), der die entwendeten Geräte mit mehreren Personen entgegennahm. Nach seinen Angaben gab es ein Team, das die GPS-Geräte aus dem Hubschrauber abmontierte und ein Team, das die Navigationsgeräte vernichtete. Er gehöre zum Team, das die Geräte beseitigte. Yusuf Yiğit wurde im Rahmen einer polizeilichen Telefonüberwachung überführt.

Ein Nebenaspekt: Vier Mitglieder des Unfalluntersuchungsteams, die 2009 an dem abgestürzten Hubschrauber waren, beteiligten sich 2016 am Umsturzversuch gegen die Regierung Erdoğan und waren in der Einheit, die Präsident Erdoğan in Marmaris festnehmen oder töten sollte. Es bleiben noch viele Fragen offen, denn eine neu angesetzte Gerichtsverhandlung über die Umstände des Todes von Yazıcıoğlu und seiner Begleiter hat noch nicht begonnen. Falls es neue Entwicklungen geben sollte, werde ich dazu etwas schreiben.

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