Start Panorama Ausland Türkische Brigaden Türken im Koreakrieg: „Warum zurückgehen? Wir bringen sie massenweise um!“

Türkische Brigaden
Türken im Koreakrieg: „Warum zurückgehen? Wir bringen sie massenweise um!“

Der höchstdekorierte US-Soldat Oberstleutnant Anthony B. Herbert gerät mit einer Einheit der 1. Brigade in eine ausweglose Situation. Während er die Hand in Richtung Süden hebt, stürmen die Türken mit aufgesetztem Bajonett in Richtung Norden.

Brigadegenerals Tahsin Yazici (l) dankt einem türkischen Soldaten nach der Kunuri-Schlacht (Foto. Screenshot)
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Im Juli 1950 zogen 5200 türkische Soldaten in den Koreakrieg. Nach den Vereinigten Staaten war die Türkei das zweite Land, das dem Ruf des UN-Sicherheitsrates folgte.

Ein Gastbeitrag von Nabi Yücel

Vieles verstanden die US-Soldaten nicht. Weder die Sprache noch die eigentümliche Art der türkischen Soldaten unter dem Kommando des Brigadegenerals Tahsin Yazici. Für Oberstleutnant Anthony B. Herbert sollte eine Erfahrung seine zukünftige Offiziers- und Veteranenlaufbahn grundlegend ändern.

Der meistdekorierteste US-Soldat hatte als jüngster Unteroffizier in der US-Geschichte eine steile Karriere während des Koreakrieges hingelegt und nach dem Vietnam-Krieg einen Herbert-Krieg ausgelöst, in dem er Kriegsverbrechen an vietnamesischen Zivilisten anprangern ließ und sich sogar vor dem Senat und dem militärischem Gericht nicht davon abbringen ließ, die Behauptungen zurückzunehmen.

Er bekam während seiner Zeit als Soldat im Korea-Krieg die US-amerikanischen Auszeichnungen, den Silver-Star, die Legion of Merit, sechs Battle Stars, drei Bronze Stars und vier Purple Heart für vier schwere Verwundungen. Für besondere Tapferkeit im Kampf erhielt Herbert im türkischen Nationalparlament als einziger Nichttürke die Nisan-i İftihar vom damaligen Staatspräsidenten Celal Bayar, die er während des Kampfes mit der türkischen Brigade gezeigt hatte. Über diese Zeit schrieb Herbert zwei Bücher, darunter „Die Herstellung eines Soldaten“ und die „Soldaten“, worin er u.a. seine Bewunderung über die türkischen Soldaten ausdrückte und aufdeckte, wie grundlegend anders die Türken einen Krieg führen, mit einer anderen Philosophie in das Kampfgeschehen einschreiten.

In seinem Buch beschreibt Herbert seine Erlebnisse in einem Zug der 1. Brigade, in der kein einziger Mann die englische Sprache beherrschte. Nur mit Mühe und Not konnte er sich mit seinen Kameraden verständigen, meist gestikulierend. Er lernte als erstes das Wort „Arkadas“ was soviel bedeutet wie Freund, um dann festzustellen, dass dieser Begriff nicht nur daher gesagt wird.

Sie saßen gemeinsam auf einem strategisch wichtigen Hügel, hatten die Ebene im Blick und es war ein eisig kalter Wintermonat, wohl der strengste seit Jahren in Korea. Es konnten keine Gräben angelegt werden, der Boden war steinig und der Frost war bereits tief in der Erde. Da saßen Sie nun gemeinsam am Feuer, das in einer Tonne loderte, ohne Deckung, ohne Gräben und ohne viel Worte. Alle hielten inne, wussten Sie doch, dass die Rotchinesen jederzeit den Hügel zu stürmen versuchen werden.

Der Nachrichtendienst hatte schon über feindliche Truppenbewegungen berichtet, über die Stärke oder den momentanen Standort konnte man aber keine verlässlichen Informationen machen. Die durch die UDSSR und China gut ausgerüsteten und gut ausgebildeten Nordkoreaner, die auch über Kampferfahrung verfügten, hatten, was man aber erst später herausfand, ihre Truppen in den Nachtstunden marschieren lassen. Tagsüber ruhten die Soldaten in Wäldern, Höhlen oder tarnten ihre Lager. Nur einzelne Späher versuchten auch in den Tagesstunden, vorwärts zu kommen. So legten die Nordkoreaner jede Nacht an die 18 km. zurück, unbemerkt durch das dichte Netz der Aufklärungsflüge der US-Air Force.

Es war eine ruhige Nacht, ohne viel Konversation, die Herbert in Erinnerung hat. Am nächsten Morgen, es war der 26. November, dann die Hiobsbotschaft. Der Hügel ist beinahe von Nordkoreanern umzingelt, der Fluss bereits überquert, den sie sichern sollten. Herbert stuft im ersten Moment die Situation als prikär, in der Folge dann als sehr ernst ein. Die steigende Nervosität spiegelt sich auch im Buch wieder. Nur die „Freunde“ um ihn schienen „glücklich“ über diesen Umstand zu sein. Herbert beschreibt die Atmosphäre: wie in einem Picknick.

Ausgelassen und in freudiger Erwartung. Nur brutzelten hier in dieser Erwartungshaltung keine Spareribs oder gegrillte Hähnchen auf dem Grill, sondern bewaffnete Nordkoreaner auf das Signal zum Sturm. Der lies auch nicht auf sich warten. Von allen Seiten wurde das Feuer durch die Einheit erwidert, während Herbert herumsaß und darüber nachdachte, wie er aus dieser „Hölle“ rauskommt.

Als die Sonne schon sehr hoch stand, neigte sich die Munition zu neige, aber in den Gesichtern der Türken hatte sich nach wie vor nichts verändert, obwohl die meisten Kameraden bereits Tod im Schnee lagen. Ein Grinsen soll er vernommen haben, mit der der Rest der türkischen Einheit jeden Versuch der Nordkoreaner, den Hügel zu überrennen, abwehrten. Die Blicke immer gen Norden, da wollte Herbert aber nicht hin. Im Süden, da sah er noch Hoffnung, streckte seine Hand immer wieder in die Richtung, wollte damit sagen, man solle sich in Sicherheit bringen, den Hügel aufgeben und sich durch die noch schwachen Linien des Feindes durchkämpfen. Doch es geschah etwas, was Herbert nicht mit eingeplant hatte.

Plötzlich standen die türkischen Reihen auf, pflanzten die altmodischen Bajonette auf, die einzige Waffe die ihnen noch zur Verfügung stand. Herbert lernte hier die erste Lektion eines Türken. Der Türke gibt nicht auf. Die zweite: der Türke hat sich nicht gefangen zu nehmen. Für Herbert ist das wie eine Offenbarung, die er danach im Vietnam-Krieg immer wieder seinen Mannen eintrichterte. Wie Derwische sollten sich die Männer dem Kampf widmen, voller Demut und Stolz, mit einem eigentümlichen Stil. Sie stachen mit dem Bajonett zu, wirbelten den Kolben hin und her, benutzten die linke Faust um dann mit der rechten den Kolben auf den Feind einzuprügeln.

Schrecklich Szenen die er noch immer nicht verarbeiten konnte. Die feindlichen Soldaten versuchten vergeblich, gegen diese Einstellung anzukämpfen. Die lebendigsten Erinnerungen hat Herbert an diesem Tag gemacht. Seine Dankbarkeit drückt er gegenüber seinen Kameraden aus, die ihm für seine Passivität mit der türkischen Tapferkeitsmedaille belohnt haben. Danach so sagt Herbert, wurde er der höchst dekorierteste US-Soldat nach dem Korea-Krieg.

Als ein Teil der Kunuri-Schlacht ging diese Schilderung des Anthony Herbert in die Geschichte ein. Truppen der Vereinten Nationen hatten am Morgen des 24. November 1950 unter dem Kommando des Fünf-Sterne Generals Douglas MacArthur den Fluss Yalu überquert. Bei diesem Vorstoß wurde die türkische Brigade als Reserve der Armee-Korps, 3,5 km. südwestlich der Stadt Kunuri in Stellung gebracht. Die Angriffe der Truppen der Vereinten Nationen zogen sich bis zum Abend des 25. November hin. Doch der Gegenangriff der Chinesen, die in der Nacht vom 25. zum 26. November 1950 erfolgte, sorgten für große Verwirrung am Frontverlauf.

Als der Morgen des 26. November begann, standen die chinesischen Streitkräfte bereits tief im mittleren Frontabschnitt und hatten die südkoreanischen Armee-Einheiten sehr schnell zurückgedrängt. Sie standen schon vor der Hauptstreitmacht der 8. US-Armee, die sich nun selbst bedroht sah. Um nicht völlig von der einzigen noch verbliebenen Rückzugsmöglichkeit über den Kaechon-Fluss abgeschnitten zu werden, wurde die 1. Brigade als letzte Vorhut damit beauftragt, den Feind so lange wie möglich aufzuhalten, bis die Division, darunter der 9. Korps sich zurückziehen und sammeln sowie mit Panzern gestärkt die nach Süden gedrängte Front halten kann.

Es wurde eines der blutigsten Schlachten, in der die türkische Brigade mehr als nur den Auftrag erfüllte, den Rückzug zu sichern. Ihr beherztes Einschreiten sorgte in den Linien der Rotchinesen für Verwirrung, verwickelten einen großen Teil der feindlichen Streitkräfte in verheerende und lange Kämpfe.

Der Spiegel berichtete am 20.12 1950:

„Die Geschichte der türkischen Brigade ging wie ein Lauffeuer die ganze Koreafront hinunter“, berichtet ein Korrespondent des amerikanischen Nachrichten-Magazins „Time“. Bei Kaechon waren die 5000 Türken in eine Lücke geworfen worden, die fliehende Südkoreaner in die Front gerissen hatten. Die rotchinesischen Soldaten sahen sich plötzlich „dunkelbraunen martialisch beschnurrbarten Türken“ gegenüber, die sich mit „wildem Geschrei“ und aufgepflanztem Seitengewehr auf sie stürzten. Ueber 200 Chinesen fielen im Nahkampf. Am Wochenende hatte die türkische Brigade selbst rund 500 Mann (10 Prozent) Ausfälle. „Ein Türke meldet sich anscheinend erst zum Verbandsplatz, wenn er mindestens drei Wunden hat“, erzählt ein amerikanischer Truppenarzt.
„Nach 48 Stunden erbitterten Abwehrkampfes gegen die anstürmenden Rotchinesen“, schildert der „Time“-Korrespondent die Türkenschlacht bei Kaechon, „ging den Soldaten Tahsin Yazicis die Nahrung und die Munition aus. Da griffen sie mit aufgepflanztem Bajonett an, kämpften mit Messern und Fäusten und warfen Steine auf die endlosen Wellen anstürmender Chinesen. Als schließlich amerikanische Panzer vorfuhren, um den abgekämpften türkischen Einheiten einen Rückzugsweg zu bahnen, waren die Türken schon wieder im Angriff. Auf den Befehl, zurückzugehen, da seine Truppe von den Chinesen eingeschlossen würde, entrüstete sich der türkische Befehlshaber: ‚Zurückgehen? Warum zurückgehen? Wir bringen sie massenweise um.‘