Osnabrück – Auch 80 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hält die Vorsitzende des Deutschen Historikerverbandes, Eva Schlotheuber, zahlreiche wichtige Forschungsfragen für unbeantwortet. „Jede Generation muss eigene Antworten auf die zentralen Fragen finden, die sie beschäftigt“, sagte die Professorin der Universität Düsseldorf der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Der Zweite Weltkrieg gehöre zweifellos weiterhin dazu. Aktuelle Forschungsansätze seien etwa, wie der Krieg erst sehr spät in die deutsche Provinz gekommen sei. Auch die Behördengeschichte sei ein neues und wichtiges Feld. Über das Reichsinnenministerium sei kaum etwas bekannt. Zahlreiche Praktiken auch anderer Behörden seien noch zu untersuchen und die Frage nach Kontinuitäten zu stellen.
Schlotheuber wandte sich dagegen, Parallelen der jetzigen Zeit zu den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg zu ziehen. „Die Situation gegenwärtig ist mit der in den 1930er-Jahren ebenso wenig vergleichbar wie AfD und NSDAP es sind.“ Die Parteienlandschaft der Weimarer Republik sei nicht gefestigt gewesen, die Wirtschaftskrise habe eine beträchtliche Rolle gespielt. Soziale, menschliche und politischen Prozesse und Überzeugungen hätten im Kaiserreich gewurzelt. „All dies ist heute anders, und ohnehin gilt: Geschichte wiederholt sich nicht“, betonte Schlotheuber.
Schlotheuber nahm an einer Podiumsdiskussion der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ aus Anlass des 80. Jahrestags des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs am 1. September teil.
Der frühere Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg blickte auf dem Podium skeptisch auf den Zustand der internationalen Friedensordnung. Er sprach sich dafür aus, sich von der Vorstellung zu lösen, dass die Nachkriegsordnung unverändert bestehen bleiben könne.
„Wir haben ein romantisches, fast nostalgisches Bild auf die internationalen Institutionen entwickelt“, sagte Guttenberg. Aber: „Die Vereinten Nationen sind ein Schatten ihrer selbst, ein sklerotisches Gebilde.“ Ähnliches gelte für multilaterale Konfliktlösungsmechanismen wie den Internationalen Gerichtshof, der von maßgeblichen Spielern systematisch ausgehebelt werde. „Es ist ein zwingender Auftrag, dies schonungslos zu sehen und zu Reformen zu führen“, sagte der CSU-Politiker.
Auch Schlotheuber riet zu einer nüchternen Betrachtung. Die EU, wie sie einmal war, gebe es nicht mehr. „Die Schwierigkeiten müssen offen benannt werden“, sagte die Historikerin. Es helfe nicht weiter, einem Gebilde aus den 1980er-Jahren hinterherzutrauern. „Zudem darf die EU nicht nur aus deutscher Perspektive betrachtet werden“, fügte sie hinzu. Andere Länder hätten gänzlich andere Erwartungen und Sichtweisen auf die Aufgaben der Gemeinschaft. Wichtig sei es, nicht an tradierten Strukturen festzuhalten, sondern Europa und die Vision einer lebenswerten Zukunft unabhängig von wirtschaftlichen Aspekten neu zu definieren.
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