Von Prof. Dr. Hans-Christian Günther
Die Geschichte der CSU in Bayern ist insgesamt eine glänzende Erfolgsstory. Nach der – recht pittoresken – Beseitigung der Bayernpartei, die dieselbe Wählerschaft bediente, dominierte die CSU Bayern von 1962 -2008 mit absoluter Mehrheit.
Und man muss dieser Partei auch zugestehen, insgesamt hat sie als bayerische Landesregierung ihre Sache nicht so schlecht gemacht. Vor allen Alfons Goppel, der als erster CSU-Landeschef 1962-1978 allein regierte, war ein Grandseigneur, der seinesgleichen in der Politik suchte und fast schon wie eine Art Prinzregentenersatz fungierte.
Auf ihrem Höhepunkt war die CSU bei 62%. Goppel hat auch für Bayern viel geleistet. Auch nach ihm war die CSU für pittoreske volkstümliche Figuren gut, und ich meine damit weniger den notorischen Franz Josef, Politiker wie Theo Waigel und Richard Stücklein hatten ihren echt bayerischen Charme. Selbst der ,Technokrat‘ Stoiber fuhr, obwohl er hauptsächlich als der vielleicht unfreiwillig komischste Politiker der Bundesrepublik Geschichte machte, satte Mehrheiten ein.
Erst 2008 folgte ein Absturz von 60% auf 43%. Die absolute Mehrheit war weg. Parteivorsitzender und Ministerpräsident tragen zurück, so wurde Horst Seehofer Ministerpräsident einer Koalition mit der FDP. 2013 holte er die nur knapp verfehlte absolute Mehrheit mit 47% zurück.
Jetzt wäre es an Seehofer und dem Ministerpräsidenten Söder zurückzutreten; dieses Mal hat die CSU 10% verloren. Sie ging allerdings dieses Mal von 47%, nicht 60% aus. Der Wiedergewinn einer absoluten Mehrheit ist ferner denn je.
Zudem hat sich die Parteienlandschaft gründlich verändert. Die Grünen sind mit fast 18% zweite Kraft, Wählerstimmen haben sich ungefähr verdoppelt. Die Freien Wähler haben sich bei über 11% konsolidiert, AfD ca. 10% (unter Bundesdurchschnitt), die SPD halbiert, knapp unterhalb der AfD, zur Kleinpartei degradiert, die FDP überschreitet knapp die Fünf-Prozent-Hürde.
Welche Botschaft vermittelt dieses Ergebnis: nun, zur SPD sagt man am besten möglichst wenig. Nur: wir ,feiern‘ in der ZEIT gerade 100-Jahre-Helmut-Schmidt. Deshalb: die Kanzlerschaft Helmut Schmidts markierte bereits das Ende der SPD, wie wir sie kannten. Helmut Schmidts Kanzlerschaft war die Verwaltung des Chaos, das die Brandt-Scheel-Koalition im Inneren zurückgelassen hatte. Schmidt konnte das: er war ein Pragmatiker, ein Macher.
Nicht mehr nicht weniger. Er hat gegen seine Partei regiert. In Grunde genommen hat er CDU-Politik gemacht. Er hatte Charisma. Die Wähler wollten im Grunde genommen Schmidt als Kanzler einer CDU-Regierung. Damit wären die Weichen gestellt für die Entstehung der ,Linken‘ und der Abstieg der SPD zur Handlangerin der CDU.
Wozu also SPD wählen und nicht gleich CDU, zumal sich die SPD wie keine andere etablierte Partei mit all ihren Vertretern nach der letzen Bundestagswahl so gründlich blamiert hat wie wohl noch nie eine etablierte Partei. Die SPD muss und wird verschwinden: wenn die Partei mit sich ehrlich ist, werden die Merkel-nahen in die CDU eintreten und dort den gemäßigten Flügel stärken, die anderen Sarah Wagenknechts linker Sammelbewegung beitreten.
In Bayern freilich sitzt das bürgerliche Lager fest im Sattel. Die Freien Wähler stehen der CSU nahe, eine Koalition bietet sich an. Das könnte der CSU gar nicht so schlecht tun. Sie könnte von der Arroganz der Macht herunterkommen.
Wenn sie das tut, wenn Seehofer und Söder zurücktreten und sich ein neuer glaubwürdigerer Kandidat findet, wird die CSU sich erholen. Die CSU ist immer noch stärkste Kraft, sie ist mit Bayern eng verbunden. Die bayerischen Bürger haben gezeigt, sie wollen eine bürgerliche Regierung nach Muster der alten CSU. Die Bayern sind ein eigentümliches Völkchen – im positiven Sinne. Eigensinnig, etwas verschroben vielleicht, aber bodenständig und somit pragmatisch.
Sie brauchen niemanden, der Sprüche über Heimat klopft: sie wissen, was ihre Heimat ist. Sie brauchen niemanden, der ihnen bayerische Lebensart erklärt und glaubt, Kreuze in Amtsstuben wirken Wunder und lösen politische Probleme. Sie brauchen einen Ministerpräsidenten, der bayerische Lebensart verkörpert, wie Alfons Goppel, Max Streibl, Richard Stücklin, Theo Waigel oder meinetwegen auch Franz Josef Strauss.
Sie brauchen niemanden, der im der Regierung bloß Ärger macht, aber nichts leistet. Sie sind konservativ, aber sie sind zu intelligent, um auf ausländerfeindliche dumme Sprüche hereinzufallen, und neofaschistisch sind sie auch nicht.
Die Botschaft ist klar: CSU ja, Seehofer und Söder nein. Keine Gleichschaltung der CSU mit der AfD, sondern pragmatische realistische Politik, eine seriöse Alternative zu den hohlen Parolen der AfD, nicht noch dümmere.
Politiker, so scheint mir, halten deutsche Bürger für verblödetes Stimmvieh. Das ist eine dreiste Beleidigung: der sog. Mann von der Straße hat ein verdammt gesundes Gefühl dafür, wo etwas faul ist. Die bayerischen Bürger haben bei dieser Wahl ihre Intelligenz bewiesen und gezeigt, was sie wollen. Die CSU täte gut daran, auf sie zu hören.
Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
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Prof. Dr. Hans-Christian Günther
Lebenslauf
Geb. am 28.4.1957 in Müllheim / Baden
Professor für klassische Philologie an der Albert-Ludwigs-Universität. Zahlreiche Publikationen und Gastprofessoren. Lange Aufenthalte in der VR China. Im Bereich der Altertumswissenschaft besonderer Schwerpunkt auf der politischen Dichtung der Augusteer und allgemein der Reflexion antiker Autoren auf ihre gesellschaftliche Stellung und Verantwortung
Seit 2004 Tätigkeit im Bereich des Dialogs der Religionen und Kulturen mit zahlreichen Veröffentlichungen.