Von Marina Bütün
Viele, die ans Auswandern denken, sind sich kaum oder gar nicht im Klaren, welche Veränderungen mit den Jahren auf sie zukommen. In erster Linie denken die meisten erst einmal an ihr neues Domizil und an Sonne und Meer. Das ist auch gut so.
Natürlich weiß auch jeder, dass sich die Entfernung zu Familie und Freunden vergrößert. Doch es vergrößert sich nicht nur die Entfernung. Die Wege, die du mit einigen gemeinsam zurückgelegt hast, trennen sich nun langsam und unmerklich. Dessen sollte sich jeder bewusst sein. Ein schnelles „Hallo, was machst du? Ich komme auf eine Tasse Kaffee vorbei!“ ist nicht mehr möglich.
Die Tasse Kaffee wird ab jetzt in jedem Jahresurlaub geplant, der in Deutschland oder im neuen Domizil im Ausland stattfinden wird. Viele trinken sie nur bei Heimatbesuchen in Deutschland, weil deutsche Freunde, manchmal sogar die Familie, nicht zu Besuch kommen wollen – aus finanziellen oder anderen Gründen. Einige haben überhaupt keine Kontakte mehr.
Dank Internet siehst du sie (vielleicht) an der Cam vom Handy oder Computer. Du schreibst mit Ihnen vielleicht regelmäßig in WhatsApp oder in Facebook. Anfangs noch oft, doch mit einigen wird es mit den Jahren immer weniger, mit manchen hört es auf einmal ganz auf, ohne dass groß etwas vorgefallen ist.
Manche Tasse Kaffee, die du gerne am Meer mit diesen alten Freunden getrunken hättest, bleibt stehen und wird kalt. Manche Tasse Kaffee trinkst du mit ganz neuen Bekanntschaften, die den gleichen Weg wie du gehen wollen und denen es genauso geht wie dir.
Der Zug des Lebens hat viele Abteile. Der Lokführer bist du selbst!
Es sitzen viele Menschen in diesem Zug, die dich lange auf der Reise ins Unbekannte begleiten. Manche, wie Lebenspartner, Familie und Kinder fahren bis zum Ende mit, manche Freunde steigen unterwegs freiwillig aus, manche steigen ein. Du hängst auf der Reise vielleicht auch ganze Wagen bewusst ab, weil dir die Leute nicht gefallen, die sich einfach frech in deinen Zug gesetzt haben. Doch manchmal tut es auch weh, wenn gute Freunde wortlos und ohne ein Tschüss ohne Grund aus dem Zug verschwinden. Du schickst ab und zu einen Gruß und es kommt irgendwann nichts mehr zurück.
Auch das gehört zu deiner Reise und du gewöhnst dich daran, dass mit den Jahren, wenn der Zug über die Grenze gefahren ist, andere Fahrgäste deine Begleiter sind. Der Unterschied – sie steigen meistens schneller ein und aus wie in deinem früheren Leben. Auch der Zug fährt immer schneller. Manchmal bist du traurig darüber, manchmal ganz froh. Die erste Zeit wirst du merken, dass du nicht wenige aus dem fahrenden Zug wirfst, weil sie dir schaden und du Maßnahmen ergreifen musst, damit dein Zug ihretwegen nicht entgleist.
Das Leben ist eine große Reise ohne wirklich das Ziel zu kennen, selbst wenn du dir die Route in dein Traumland genau ausgesucht hast. Menschen, denen du wirklich etwas bedeutest, werden dich auf dieser Reise immer begleiten, auch wenn sie zwischendurch einmal aus deinem Zug aussteigen müssen, warten sie irgendwo auf einem Bahnsteig auf dich, um das nächste Stück wieder bei dir zu sein.
Es ist nicht die Entfernung, die manche Wege trennt. Es liegt an jedem Einzelnen, wie wichtig du für ihn bist. Steigt ein Freund für immer aus, dann sei nicht traurig und denke an die schöne Zeit, die ihr hattet und sei dankbar. Doch schau immer nur nach vorne und nicht zurück, damit dein Zug im Gleis bleibt und ungehindert weiterfahren kann – einer schönen Zeit entgegen.
Wer noch mehr über die Autorin wissen oder mehr über ihre eigene Auswanderung in die Türkei erfahren möchte oder einen Ratgeber sucht – alle Bücher und die Biographie von Marina Bütün findet man hier auf ihrem Autorenprofil