Müncher – Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am vergangenen Donnerstag in zwei wegweisenden Urteilen das Scoring-System der SCHUFA und deren bisherige Datenspeicherungspraxis mit Blick auf Privatinsolvenzen mit strikten Vorgaben weitestgehend unterbunden.
Betroffene Verbraucher, die aufgrund des SCHUFA Scorings bspw. bei der Vergabe von Krediten oder dem Abschluss von Mobilfunkverträgen diskriminiert wurden oder deren Restschuldbefreiung von der SCHUFA gespeichert wird, können jetzt mit Unterstützung der Europäischen Gesellschaft für Datenschutz mbH (EuGD) klagen.
Im ersten der beiden Urteile hat der EuGH entschieden, dass das Scoring bzw. Profiling der SCHUFA gegen die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstößt, wenn SCHUFA-Kunden – etwa Banken oder Energieversorger – ihm eine maßgebliche Rolle beimessen und allein auf Basis von automatisiert verarbeiteten Daten und ohne menschliches Zutun beispielsweise über die Kreditvergabe an Verbraucher:innen entscheiden.
Im zweiten Vorlageverfahren entschied der EuGH, dass die lange Zeit gängige Praxis der SCHUFA, Informationen zu Restschuldbefreiungen von Privatpersonen drei Jahre lang zu speichern, unzulässig sei. Die Entscheidung über die grundsätzliche Zulässigkeit der Speicherung dieser Daten durch eine kommerzielle Auskunftei wie die SCHUFA verwies der EuGH zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht Wiesbaden zurück, wo Klage dagegen eingereicht worden war.
„Schonfrist vorbei“: EuGD startet Klagewelle gegen die SCHUFA
Mit den beiden Urteilen im Rücken startet EuGD jetzt eine Klagewelle gegen die SCHUFA. Das Legal-Tech unterstützt Verbraucher:innen bei der Geltendmachung von Schadenersatz (materiell und immateriell) im Falle von Datenschutzverstößen und hat bereits eine erste Klage eines betroffenen Verbrauchers gegen die SCHUFA beim Landgericht Wiesbaden eingereicht.Die Klage zielt auf die Unterlassung rechtswidrigen Scorings und rechtswidriger Datenverarbeitung, die vollständige Auskunft über die zum Verbraucher gespeicherten Daten, die Information aller Vertragspartner der SCHUFA über mangelnde Verkehrsfähigkeit der Scores und auf Schadenersatz wegen Datenschutzverstößen.
Peter Hense, Datenschutzrechtsexperte und Partner bei der Kanzlei Spirit Legal sowie von EuGD beauftragter Klägervertreter, erklärt:
„Die Schonfrist für die SCHUFA ist vorbei. Der EuGH zieht einen Schlussstrich unter ein seit Jahren rechtswidriges Geschäftsmodell. In Europa besteht kein Recht darauf, Bürgerinnen und Bürger massenweise automatisiert und ohne triftigen Grund hin auf politische oder wirtschaftliche Zuverlässigkeit hin zu bewerten und zu profilieren und solche willkürlichen Werte zu kommerzialisieren. Der Mensch darf nicht der Maschine unterworfen werden. Wir sind nicht China, wir haben Grundrechte. Ein weiteres, seit Jahren bestehendes Problem der SCHUFA ist die häufig fehlerhafte Datenbasis. Diese Mängel in der Datenqualität unterminieren zusätzlich die Zuverlässigkeit der bereits per se zweifelhaften SCHUFA-Scores. Diese rechtswidrigen SCHUFA-Scores haben ihre toxische Wirkung entfaltet, indem sie von verschiedenen Unternehmen – von Banken über Versicherungen bis hin zu E-Commerce-Unternehmen – als verlässliche Indikatoren angesehen wurden. Eine Annahme, die sich nun als falsch herausstellt.
Die SCHUFA steht zudem vor der anspruchsvollen Aufgabe, ihre Datenbasis gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern zu bereinigen. Hinzu kommt, dass sie bislang fehlende Erklärungen zur sogenannten ‚Logik‘ des SCHUFA-Scores nachzuliefern hat.
Gleichzeitig muss sie sich gegen Vorwürfe verteidigen, dass ihre rechtswidrigen Scores über lange Zeiträume wirtschaftliche Fehlentscheidungen verursacht haben. Diese umfassen unter anderem die unberechtigte Verweigerung von Vertragsabschlüssen und die Festsetzung willkürlich höherer Zinssätze für Kredite.“Und Thomas Bindl, Gründer und Geschäftsführer EuGD, fasst zusammen: „Die Auswirkungen der exzessiven Datensammlung und Auswertung durch die SCHUFA betreffen fast alle und wurden endlich eingeschränkt. Es liegt jetzt an den Verbrauchern, ihre Rechte geltend zu machen. Der Klageauftakt durch EuGD ist gemacht, jetzt muss jeder Einzelne handeln.“