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Kommentar: Der untertänig gewünschte Gastarbeiter war nie mundtot

Das Internet aus Ausdruck des politischen Willens und des "Zivilen Ungehorsams" unter den türkischen Migranten. Am deutschen "Verbot" der Kritik gegen die Politik Israels zeigt sich der "Zivile Ungehorsam" der meisten Nachkommen der Gastarbeiter. Ein Kommentar.

(Foto: nex24/mka)
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Ein Gastbeitrag von Hakan isik 

Der untertänig gewünschte Gastarbeiter war nie mundtot, damals nicht und heute auch nicht. Das Establishment damals wie heute hat ein Idealbild des Gastarbeiters, nunmehr Migranten, gedacht als Medium des Mehrwerts für die Gewinnmaximierung der Companies. Dieses Idealbild impliziert den willigen und apolitischen Hilfsarbeiter sowie den Gemüsetürken nach Sarrazin, welchem man die Hinterhöfe für ihre Moscheen zuweist, die Gettowohnungen vorsieht und gegebenenfalls eine politische Aktivität zumutet – aber auch nur als Automat, welcher vorprogrammiert bei Bedienung der Befehlstasten, das Gewollte ausspuckt.

Soziologisch, ökonomisch und politisch sind die sogenannten Migranten, wie sie mittlerweile genannt werden, nunmehr emanzipierter und forschen bei Impfstoffen mit, führen deutsche Unternehmen, investieren Kapital… und sind auch mitunter deswegen politisch bewusster. So ist es auch nicht verwunderlich, dass genau jenes politische Bewusstsein außerhalb des erlaubten politischen Automatendaseins in der digitalen Welt sich manifestiert.

Wir haben unzählige illustre Persönlichkeiten innerhalb unserer Community in Deutschland und zugleich auch eigenständige mediale Netzwerke, welche recherchieren, forschen, studieren und diesbezüglich den Politikinteressierten in der notwendigen Reichweite finden. Und genau hier findet und fand an Paradigmenwechsel statt, also ein Muster, welches sich veränderte.

In den 70er und 80er Jahren gab es das Köln Radyosu und einige türkische Zeitungen als vornehmliche Informationsquelle für Nachrichten aus der Türkei. Größtenteils war es fast unmöglich Informationen zwischen den einzelnen Regionen in Deutschland auszutauschen. Im Laufe der Digitalisierung der Medien und Kommunikationsformen sind die heutigen Migranten in der Lage überregional, national und international sich mit Wissen und Informationen zu versorgen. Dieses Phänomen schlägt sich nieder in der digitalen Welt als „Soziale Bewegungen“ nieder.

Warum sind Soziale Bewegungen wichtig und warum entstehen sie? Daher ist ein Zitieren aus dem Internet sehr hilfreich: „Soziale Bewegungen sind gesellschaftlichen Ursprungs. Sie entstehen, weil Lebensweisen sowie wirtschaftlich, politisch und kulturell prägende, gemeinsame Daseinsbedingungen es Gruppen von Menschen nahe legen, ihren Willen zu Gehör zu bringen und möglichst durchzusetzen.“

Ihren Willen heißt es in der Definition, der Wille des hiesigen politischen Systems und der dazugehörigen Medien ist nicht unser Wille. Unser Wille ist es nicht in den Hinterhöfen unsere Moscheen zu stehen, nur Gemüse zu verkaufen, wirtschaftlich unerwähnt zu bleiben. Politisch haben wir eine eigene Interessenpolitik, wir zahlen Steuern und tragen zum Wohlstand dieser Republik bei, sehen aber hingegen, dass unsere islamischen Religionsgemeinschaften nicht als öffentliche Körperschaften anerkannt sind – aber alle anderen. Diese können ihre Interessen z.B. in den Rundfunkanstalten geltend machen – wir aber hingegen nicht. Der Bau einer Moschee mit Minarett mutiert allzu oft zu einem Dauerthema. Bei diesen innenpolitischen Themen sehen wir bereits eine eindeutige Ausgrenzung, wie sieht es bei nicht-innenpolitischen Themen aus, welche uns durch das hiesige System politisiert aufgedrängt werden?

Spätestens dann sehen wir eine sehr gewaltige Differenz im Akt des politischen Willens. DITIB, der Islamismus, politischer Islam, Präsidialrepublik, Istanbuler Konvention, Erdogan usw. werden per se zu etwas Negativem. Und jüngst der Nahostkonflikt.
Gewiss ist Rassismus und Antisemitismus nirgends ein erfreuliches Phänomen, jedoch wie eine Minderheit in der Wahrnehmung eines politischen Systems zu einem Gesamtereignis des Islams wird, ist schon beachtlich. Die Verortung des Antisemitismus zuerst hier und dann beim türkischen Staatspräsidenten, korrespondiert spätestens dann nicht mehr, wie der Konflikt im Nahen Osten gelöst werden soll.

Während der westliche Ansatz folgendermaßen aussieht, der Islam ist antisemitisch -das ist ihre gewollte politische Message – und es gibt keine konstruktive Kritik an Israel, da hatte Ankara bereits eine internationale Friedenstruppe vorgeschlagen und die Idee einer internationalen Stadt Jerusalem. Für uns klingen willenstechnisch die Ansätze aus Ankara attraktiver, als zum hundertsten Mal Antisemitismus zu vernehmen. Denn wir sehen, die westliche Demokratie hat versagt, sie können das Problem nicht lösen oder wollen es nicht lösen.

Und genau die gleichen Denkmustern sehen wir auch bei den innenpolitischen Konflikten und Interessenkonflikten. Die DITIB wird kritisiert, statt das Potenzial zu nutzen, um die Ursachen der Konflikte zu bekämpfen. Unser Wille ist der Dialog und die Demokratie ohne Ausgrenzung. Ungeachtet dessen versucht das hiesige System ein Meinungsmonopol durchzusetzen, wie solch ein Monopoldenken gescheitert ist, lässt sich an der SPD beobachten. Die bisherigen Blankostimmen der türkischen Migranten sind ihnen nicht mehr sicher.

Allein der Diskurs im Netz unter den türkischen Migranten führte dazu, wie ein politikwissenschaftlicher Artikel über die SPD schwarmtechnisch aufgenommen wurde und mannigfaltig zu Impulsen unter den „Neuen Sozialen Bewegungen“ beitrug.
Das Internet ist der Ausdruck unseres politischen Willens, hier schließen wir uns zusammen, um in Schwärmen unserem Willen Ausdruck und Nachdruck zu verleihen.


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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