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Kommentar: Die Enttarnung eines Brigadegenerals

Anti-Terror-Einheiten der türkischen Polizei in Ankara nahmen am 27. Januar einen vor kurzem pensionierten Brigadegeneral fest, der Mitglied der "Fetullahistischen Terrororganisation" (Fetö) sein soll.

(Archivfoto: nex24)
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Der Festgenommene konnte lange unentdeckt bleiben

Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge– kboelge@web.de

Anti-Terror-Einheiten der türkischen Polizei in Ankara nahmen am 27. Januar einen vor kurzem pensionierten Brigadegeneral fest, der Mitglied der „Fetullahistischen Terrororganisation“ (Fetö) sein soll. Nach seiner Verhaftung legte Serdar Atasoy ein umfangreiches Geständnis ab und erklärte sich gegenüber den Ermittlungsbehörden zum Aussteiger (İtirafcı).

Neben Atasoy wurden zwei weitere Brigadegeneräle festgenommen, die verdächtigt werden, Fetö-Mitglieder zu sein. Der erste Kontakt zum Netzwerk Gülens entstand während seiner Zeit am Gymnasium. Das Gülen-Netzwerk war es auch, dass dabei half, die Aufnahmeprüfung für die Militärschulen mit rechtswidrigen Methoden zu bestehen.

1996 wurde er im Rang eines Leutnants mit dem damaligen Sektenchef Gülen bekannt gemacht. Die Terrororganisation Fetö legte besonders viel Wert auf die Nichtenttarnung des ehemaligen Generals. Beim gescheiterten Putschversuch 2016 befand sich Serdar Atasoy als Militärattaché in Dhaka/Bangladesch.

Er soll Mitglied in einer WhatsApp-Gruppe namens „Die Attachés“ gewesen sein und am Tag des Putschversuchs auf die Messenger-Nachricht des Fetö-Mitglieds und ehemaligen Admirals S. Sürer „Der Generalstab hat die Befehlsgewalt an sich gerissen, bitte informieren Sie darüber Ihre Gesprächspartner darüber“ mit „Jawohl, mein Vorgesetzter“ beantwortet haben. Der Putschist Sürer war es, der in der Putschnacht das Feuer auf Zivilisten eröffnete, weil die Bevölkerung zivilen Ungehorsam gegen die Verschwörer leistete.

Auswertung des Mobiltelefons führte auf die Spur

Nach seiner Rückkehr aus Bangladesch gelang es ihm, unentdeckt zu bleiben, bis er im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen gegen Fetö 2017 in seiner Zeit bei der 3. Armee in Erzincan festgenommen, aber kurze Zeit später wieder freigelassen wurde. Der türkische Nachrichtendienst MIT wertete dessen Mobiltelefondaten seit 2012 aus und von da an erfolgte eine Beobachtung.

Was die Ermittlungen nicht einfacher machte, war, dass er Messenger-Dienste wie ByLock oder Signal tunlichst vermied. Außerdem benutzte dieser Prepaid-Karten, mit dem man in der Türkei aus öffentlichen Telefonzellen Anrufe tätigen kann. Um nicht aufzufallen und entdeckt zu werden, benutzten viele Fetö-Mitglieder Prepaid-Karten. Im Rahmen der Ermittlungen wurden auch die Bankkonten von Atasoy überprüft und nach Durchsicht der Dokumente bestand für die Sicherheitsbehörden kein Zweifel mehr.

Bei seiner Vernehmung berichtete dieser, wie Informationen über andere Militärangehörige von Verbindungsleuten von Fetö gesammelt und ausgewertet wurden. Die Informationen erhielten die Fetö-Verbindungsmänner von Fetö-Mitgliedern in der Armee. Diensthabende Offiziere, die für das Fetö-Netzwerk eine Gefahr darstellten, sollten mit allen Mitteln aus der Armee entlassen und durch Fetö-Mitglieder ersetzt werden. Bei der Luftwaffe zum Beispiel wurden gesunde Kampfpiloten durch gefälschte Gesundheitsatteste aus dem Dienst entfernt und durch Fetö-Mitglieder ersetzt. Dieses Beispiel ließe sich in allen Waffengattungen fortführen, in dem Anhänger des Fetö-Netzwerks aktiv waren.

Langwieriger Kampf gegen Fetö-Netzwerk

Die in einigen deutschen Mainstream-Medien immer wieder vorgebrachter These, wonach Mitglieder dieses Netzwerks „lammfromme Gutmenschen des in den USA lebenden Predigers“ seien, kann mit den Fakten nicht standhalten. Investigative Medien wie zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung, sehen das Gülen-Netzwerk durchaus kritisch. Des Weiteren ist zu bedenken, dass das Fetö-Netzwerk seit 40 Jahren Strukturen der Bürokratie, Ministerien und der Armee in der Türkei unterwandert hat und der Kampf gegen diese gefährliche Organisation noch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird.

Ein Fragezeichen steht hinter der Beförderung von Atasoy bei der Sitzung des Obersten Wehrrats (YAŞ) am 30. August 2020, in dem dieser vom Rang eines Oberst zum Brigadegeneral befördert und zum Verantwortlichen für den Nachrichtendienst des Heeres ernannt wurde. Bevor dieser seinen neuen Dienst beim Heer antrat, wurde er pensioniert. Wenn es stimmt, dass er ein umfangreiches Geständnis abgelegt und sich zum Aussteiger von Fetö erklärt hat, finde ich es inakzeptabel, wenn er nach 6 Tagen wieder freigelassen wurde.


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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