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Verschwörungsmythen
Bill Gates und sein angeblicher Plan der Bevölkerungsreduktion

Gleichwie auch Weltkrisen der Vergangenheit - wie etwa die Spanische Grippe Anfang des vergangenen Jahrhunderts mit fast 50 Millionen Toten - hat auch die Corona-Pandemie die skurrilsten Fantastereien und Verschwörungstheorien zum Vorschein gebracht.

(Archivfoto: Screenshot/Youtube)
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Ein Kommentar des Herausgebers

Gleichwie auch Weltkrisen der Vergangenheit – wie etwa die Spanische Grippe Anfang des vergangenen Jahrhunderts mit fast 50 Millionen Toten – hat auch die Corona-Pandemie die skurrilsten Fantastereien und Verschwörungstheorien zum Vorschein gebracht.

Wo früher noch die Bankiersdynastie Rothschilds und später die Unternehmerfamilie Rockefeller sowie jüngst auch US-Investor George Soros für alle Krisen der Welt verantwortlich gemacht wurden, bringen Fans von Verschwörungsmythen in letzter Zeit nun einen „neuen Bösewicht“ mit allem Übel dieser Welt in Verbindung.

„Bill Gates regiert die Welt“

Microsoft-Gründer Bill Gates regiere mit seiner Frau Melinda die Welt und plane durch weltweite Zwangsimpfungen Menschen Chips zu implantieren, um diese überwachen zu können. Nach diesen Theorien sollen durch die Impfungen auch heimlich Frauen sterilisiert und dadurch die Weltbevölkerung reduziert werden. Das Coronavirus sei in einem Labor entwickelt worden und Gates stecke höchstpersönlich dahinter. Diese Theorien bekommen weltweit Zulauf.

Einige Mythen gehen sogar so weit und behaupten, dass Gates – gemeinsam mit dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton – Kinder opfere, obwohl er, ganz im Gegenteil zu diesen Vorwürfen, durch Millionenspenden für Polio-Impfungen eigentlich dafür sorgt, dass weltweit Kinder am Leben bleiben. Polio oder Kinderlähmung – abgekürzt für Poliomyelitis anterior acuta oder spinale Kinderlähmung – ist eine hoch ansteckende akute Infektionskrankheit mit dem Polio-Virus.

Gates gründete mit seiner Frau Melinda im Jahr 2000 die aktuell größte gemeinnützige Stiftung der Welt mit einem Vermögen von 47 Milliarden US-Dollar, die „Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung“ um diese Krankheiten zu bekämpfen. Gewinnorientiert arbeitet sie nicht – ihr erklärtes Ziel ist es, bis 20 Jahre nach dem Tod von Bill und Melinda Gates alle Finanzmittel aufgebraucht zu haben. Bereits lange vor der weltweiten Corona-Pandemie warnte Gates vor den Gefahren einer solchen Situation.

Verschwörungstheorien versprechen einfache Erklärungen

In Krisen verbreiten sich Verschwörungstheorien leichter. Sie versprechen „einfache Erklärungen und bestätigen bereits vorhandene Meinungen. Die Theorien fallen also dann auf fruchtbaren Boden, wenn sie ins eigene Weltbild passen, so Andreas Jungherr, Professor an der Universität Konstanz für den Studiengang „Social Science Data Collection and Analysis“ (Sozialwissenschaftliche Datenerfassung und Analyse) gegenüber dem Bayerischen Rundfunk.

Mit Verschwörungstheorien um Bill Gates könne man die Schwere der Corona-Pandemie herunterspielen. „Was vorher objektiv notwendig und wissenschaftlich begründet schien, kann jetzt als im Interesse einer globalen Elite diskreditiert werden“, erklärt der Experte für Sozial- und Wirtschaftsdaten. Zudem könnten wirtschaftliche Interessen dahinterstecken.

„Verschwörungstheorien sind kontrovers und ziehen Klicks, die werden wiederum durch Werbung monetisiert“, erläutert Jungherr. Vielen gehe es mit ihren Youtube-Channels darum, Besucher anzuziehen. Jungherr: „Hier sind kontroverse Verschwörungstheorien attraktiv.“

Lassen sich aber bestimmte Phänomene nicht mehr abstreiten – beispielsweise Aussagen von Ärzten, die über die schwierige Behandlung von Covid-19-Patienten berichten oder die weltweit steigende Zahl von Todesopfern – werden die Angaben generell angezweifelt oder geleugnet, so der ARD-Faktenfinder. 

 „Diese Annahmen reduzieren Komplexität, gestatten es zudem, eigene Ängste zu binden und Aggressionen berechtigterweise zu äußern – man wird ja schließlich von einer bedrohlichen und viel stärkeren, anonymen Macht verfolgt“, sagte der Sozialpsychologe Dr. Uwe Krüger von der Universität Leipzig, im Gespräch mit dem MDR.

„Es existiert ein hohes Maß an Verunsicherung in der Bevölkerung“, sagt der Kommunikationspsychologe Prof. Tobias Rothmund von der Universität Jena. „Kaum jemand hat eine solche Situation schon einmal erlebt. Menschen haben Angst, suchen nach Erklärungen, wollen die aktuelle Entwicklung am liebsten nicht wahrhaben.“

„Bill Gates scheint da als Projektionsscheibe ideal“, erklärt Nikil Mukerji, der sich als Philosoph in München mit den Phänomen der Verschwörungstheorien beschäftigt, dem Bayerischen Rundfunk. „Gates hat viel Geld – was ihn per se für viele Menschen verdächtig macht – und er hat weit weniger unter der Pandemie zu leiden als wirtschaftlich schlechter Gestellte“, so Mukerji weiter. Viele hätten Angst um ihre wirtschaftliche Existenz oder bereits ernste Schwierigkeiten. Es sei psychologisch nachvollziehbar, so Mukerji, dass man das jemandem in die Schuhe schieben wolle und einen Schuldigen suche.

Was steckt hinter den Gates-Behauptungen?

Bill Gates will durch Zwangsimpfungen die Weltbevölkerung reduzieren

Die Behauptungen über Gates basieren zumeist auf wenigen Zitaten, die aus dem Kontext gerissen oder bewusst falsch interpretiert werden. Seit Jahren wird im Internet etwa behauptet, der Milliardär habe gesagt: „Impfen ist die beste Art der Bevölkerungsreduktion.“ Die Aussage wird in verschiedenen Versionen verbreitet, mitunter ohne Quellenangabe. Nicht erst seit der Corona-Krise sieht sich Gates persönlich dem Vorwurf ausgesetzt verborgene niedere Beweggründe zu verfolgen.

Gehen wir für einen Moment mal davon aus, dass Bill Gates wirklich einen diabolischen Plan zur Bevölkerungsreduktion geschmiedet hat, um die Welt für sich und seine Frau Melinda allein zu haben und seine 106,3 Milliarden US-Dollar (Stand 2020) in Ruhe ausgeben zu können. Solch einen teuflischen Plan würde ein Mann mit der Intelligenz eines Gates mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit jedoch nicht während einer Rede vor Millionen Zuhörern Preis geben.

Gates hielt 2010 auf der Innovations-Konferenz „TED-Talks“ in Monterey, Kalifornien eine Rede, in der er verschiedene Ideen erörterte, wie die globalen Kohlenstoffemissionen auf Null reduziert werden können. Er stellt eine Gleichung für den globalen Kohlenstoffausstoß auf, die besagt, dass der globale Kohlenstoffausstoß mit der Anzahl der Menschen auf der Erde in Beziehung stehe.

Man muss jedoch zugeben, dass er sich bei dem im Netz millionenfach geteilten Satz unglücklich ausgedrückt hat.

„Erstens, wir haben die Bevölkerung. Die Welt hat heute 6,8 Milliarden Menschen. Diese wird auf etwa neun Milliarden ansteigen. Wenn wir in den Bereichen neue Impfstoffe, Gesundheitsfürsorge und reproduktive Gesundheitsfürsorge wirklich gute Arbeit leisten, könnten wir diese Zahl vielleicht um 10 oder 15 Prozent senken, das wäre jedoch trotzdem ein Anstieg von etwa 1,3 Prozent“

Aus diesem Zitat entstanden im Laufe der Jahre dann Youtube-Videos mit Titeln wie

Bill Gates will eine Milliarde (Menschen) tot sehen! Impfungen und Gesundheitsversorgung erledigen den Job!

Den Zusammenhang von Impfungen und einem schwächeren Bevölkerungswachstum hat Gates bereits in einem offenen Brief aus dem Jahr 2009 beschrieben. Je mehr Kinder demnach geimpft werden, desto länger leben sie. Wenn mehr Kinder überleben, müssen Eltern weniger Kinder in die Welt setzen, um von ihnen später, wenn sie alt werden, Unterstützung zu bekommen. Eine geringere Kindersterblichkeit führt demnach dazu, dass Frauen weniger Kinder bekommen, so der dpa-Faktencheck.

Während seiner vielen Studien sah Gates, dass, wenn die Sterblichkeitsrate – konkret unter 10 Todesfälle pro 1.000 Menschen fällt – die Geburtenrate folgt und sich das Bevölkerungswachstum stabilisiert.

„Das widerspricht dem gesunden Menschenverstand“, sagte Gates in einem Gespräch mit dem US-Magazin Forbes 2011. „Wie sich herausstellt, entscheiden sich die meisten Eltern nicht dafür acht Kinder zu haben, weil sie große Familien haben wollen, sondern weil sie wissen, dass viele ihrer Kinder sterben werden“, so Gates.

„Wenn eine Mutter und ein Vater wissen, dass ihr Kind das Erwachsenenalter erreichen wird, fangen sie auf natürliche Weise an, ihre Bevölkerungszahl zu verringern“, sagte Melinda Gates.

Correctiv zitiert hierzu die US-Factchecking-Website Snopes.com:

„Eine überraschende Erkenntnis war für uns, dass die Verringerung der Zahl der Todesfälle das Bevölkerungswachstum reduziert. […] Im Gegensatz zur malthusianischen Sichtweise, dass die Bevölkerung wächst, solang Kinder ernährt werden können, bekommen Eltern tatsächlich so viele Kinder, dass die Chancen hoch genug sind, dass einige von ihnen überleben, um sie im Alter zu unterstützen. Wächst die Zahl der Kinder, die das Erwachsenenalter erreichen, können Eltern dieses Ziel erreichen, ohne so viele Kinder zu bekommen.“

Hierzu ein Artikel des The Economist:

Die makroökonomische Forschung bestätigt dieses Bild. Die Fruchtbarkeit beginnt bei einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 1.000-2.000 Dollar zu sinken und sinkt bis zum Erreichen des Reproduktionsniveaus bei einem Pro-Kopf-Einkommen von 4.000-10.000 Dollar pro Jahr . Damit wird in etwa der Übergang von der Armut zum Status des mittleren Einkommens und von einer Agrargesellschaft zu einer modernen Gesellschaft verfolgt. […]

Der Zusammenhang zwischen Lebensstandard und Fruchtbarkeit besteht auch innerhalb der Länder. Der ärmste Bundesstaat Indiens, Bihar, hat eine Fruchtbarkeitsrate von 4; die reicheren Bundesstaaten Tamil Nadu und Kerala haben Raten unter 2; Shanghai hat seit 1975 eine Fruchtbarkeitsrate von weniger als 1,7; in Guizhou, der ärmsten Provinz Chinas, liegt die Rate bei 2,2. Der Zusammenhang zwischen Wohlstand und Fruchtbarkeit ist so stark, dass die wenigen Länder, in denen die Fruchtbarkeit nicht sinkt, die vom Krieg zerrissenen Länder wie Kongo, Liberia und Sierra Leone sind, in denen der Lebensstandard nicht gestiegen ist.

Wie Correctiv weiter schreibt, heißt es auf der Website der „Bill and Melinda Gates Foundation“, ihre Impfkampagne wolle „mehr als 11 Millionen Todesfälle, 3,9 Millionen Fälle von Behinderung und 264 Millionen Krankheiten bis 2020 verhindern, durch einen hohen, gerechten und nachhaltigen Impferfassungsgrad“.

(Foto: UN)

„Bill Gates will Menschen über eine Impfung Mikrochips implantieren lassen“

Ein weiterer Vorwurf gegen den 66-jährigen Microsoft-Gründer, der momentan die Runde macht, lautet, dass Gates Menschen über eine Impfung gegen den Sars-CoV-2-Erreger zugleich Mikrochips implantieren lassen wolle, um totale Kontrolle zu erhalten.

In einem Diskussionsforum sagte Gates im März 2020, dass es irgendwann eine Art „digitaler Zertifikate“ geben werde, die zeigten, wer die Erkrankung bereits durchgestanden hat, kürzlich getestet beziehungsweise – soweit irgendwann möglich – geimpft worden sei. Gates bezog sich auf digitale Zertifikate als Teil der Bemühungen, eine digitale Plattform zu schaffen, die die selbstverwalteten Tests für Covid-19 zu Hause erweitern würden.

Seine Antwort:

Die Frage, welche Unternehmen weitermachen sollen, ist heikel. Sicherlich die Nahrungsmittelversorgung und das Gesundheitssystem. Wir brauchen immer noch Wasser, Strom und das Internet. Lieferketten für kritische Dinge müssen aufrechterhalten werden. Die Länder überlegen noch, was sie weiterführen sollen. Irgendwann werden wir digitale Zertifikate haben, aus denen hervorgeht, wer wieder gesund wurde, wer kürzlich getestet wurde oder, sobald wir einen Impfstoff haben, wer ihn erhalten hat.

Diese Aussage wurde zudem mit vollkommen anderen Projekten vermischt, die von der Gates-Stiftung unterstützt werden – etwa Forschungen zur digitalen Identifizierung, zu einer Technik, die Impfungen im Infrarotlicht auf der Haut anzeigt, sowie zu Verhütungsmethoden via Mikrochips. Mit Corona haben sie nichts zu tun.

„Bill Gates hat die WHO gekauft“

Die „Bill und Melinda Gates Stiftung“ ist ein wichtiger Geldgeber der WHO und finanziert etwa 10 Prozent und nicht wie in den Vorwürfen behauptet 80 Prozent des Beitragsaufkommens. Die WHO finanziert sich zu etwa 80 Prozent aus freiwilligen Beiträgen, wie denen von Bill und Melinda Gates.