Start Panorama Gesellschaft "Neulich in Kreuzberg" Kommentar: Ist die Dönerverkäufer-Karikatur der FAZ weniger rassistisch?

"Neulich in Kreuzberg"
Kommentar: Ist die Dönerverkäufer-Karikatur der FAZ weniger rassistisch?

Im Folgenden soll eine am 19. Oktober 2019 in der F.A.Z. erschienene Karikatur („Neulich in Kreuzberg“) näher untersucht und analysiert werden. Die Karikatur ist eine Anspielung auf türkische Fußballspieler, die wegen der türkischen Militärintervention in Syrien ihre Sympathien mit einem Militärgruß bezeugten.

(Symbolfoto: nex24)
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Ein Gastkommentar von Kemal Bölge – kboelge@web.de

Im Folgenden soll eine am 19. Oktober 2019 in der F.A.Z. erschienene Karikatur („Neulich in Kreuzberg“) näher untersucht und analysiert werden. Die Karikatur ist eine Anspielung auf türkische Fußballspieler, die wegen der türkischen Militärintervention in Syrien ihre Sympathien mit einem Militärgruß bezeugten.

Man sieht einen Dönerverkäufer in Berlin Kreuzberg, der mit seiner rechten Hand vor dem Verkaufstresen seines Ladens den Militär-Salut zeigt und auf seiner Schürze ist eine türkische Fahne zu sehen. An seiner linken Hand hält er das Dönermesser und der Schnurrbart des Dönerverkäufers soll offenbar seine türkische Herkunft hervorheben. (Hier)

Ein Kunde steht vor dem Laden und erklärt mit Berliner Dialekt Rühren, Männeken! Einen Döner granaten-scharf und eine Flasche „Friedensquelle“, wa! Der Kunde hat einen Hund an der Leine und dieser sitzt stramm in Richtung des Dönerverkäufers. Es mag für manche deutschen und nichtdeutschen Leser wie eine ganz normale Karikatur erscheinen, allerdings werden in dieser Karikatur rassistische stereotypische Klischees bedient.

Wenn man diese Karikatur historisch betrachtet, gab es in der europäischen Presse vor allem im 19. und 20. Jahrhundert ebenfalls rassistische Karikaturen, die sich gegen das damalige Osmanische Reich und die Türken insgesamt richteten. Nur hatten die damaligen Gesellschaften eine differenziertere Wahrnehmung und Empfindung was Vorurteile und die Herabwürdigung von Minderheiten betraf.

Diese Art von fremdenfeindlichem „Humor“ ist in Deutschland weit verbreitet. Gegen konstruktive Kritik in der Thematik ist sicherlich nichts einzuwenden, aber hier geht es um gesellschaftliche Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund und in diesem Fall gegen Türken. Der schnurrbärtige Türke, der im Dönerladen wie ein Soldat übertrieben stramm und geradesteht und salutiert.

Hier wird zum einen das Klischee des türkischen Dönerverkäufers herangezogen, mit einem übertrieben kräftigen Schnurrbart wird aus dem Verkäufer ein „Fremder“, der nicht zur Mehrheitsgesellschaft gehört. Der Dönerverkäufer, der schon immer existierte, wird durch die herabwürdigende groteske Darstellung seines Aussehens in der Karikatur ausgegrenzt.

Ein befreundeter Journalist hatte sich wegen rassistischer Klischees in der Karikatur zu Recht aufgeregt und beim deutschen Presserat darüber eine Beschwerde eingelegt. Wen wundert es, in dem Antwortschreiben des Presserats verstößt die Karikatur nicht gegen das Presserecht, was mich nicht wirklich verwundert hat. Im Übrigen hat jeder Bürger das Recht sich beim Presserat über einen Artikel oder eine Karikatur zu beschweren. Es existiert im Alltag nicht nur ein institutioneller Rassismus (Ämter, Polizei, Schule etc.), sondern auch ein Rassismus in den Medien.

Ich möchte die erwähnte Karikatur mit einer Zeichnung des ehemaligen Karikaturisten der Süddeutschen Zeitung, Dieter Hanitzsch, vergleichen, auch wenn es um ein anderes Thema bei dessen Karikatur ging. Die Zeichnung von Hanitzsch ist vom 15. Mai 2018 und bezieht sich auf den Eurovision Song Contest, der 2019 in Jerusalem stattfand. In der Karikatur ist der damalige israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu abgebildet. Im Kostüm der ESC-Gewinnerin Netta hält Netanjahu in der einen Hand ein Mikrofon und sagt „Nächstes Jahr in Jerusalem“ und in der anderen Hand hält er eine kleine Rakete, auf der ein jüdischer Davidstern abgebildet ist. (Hier)

In der Karikatur wurden die Ohren und die Nase von Herrn Netanjahu klischeehaft zu groß gezeichnet. Das ist ganz klar eine antisemitisch motivierte rassistische Anspielung auf die jüdische Herkunft des israelischen Ministerpräsidenten. Nach Erscheinen dieser Zeichnung in der SZ, hat sich die Leitung der Süddeutschen Zeitung mit der Karikatur befasst und ihrem langjährigen Karikaturisten im Mai 2018 gekündigt.

Der Rauswurf von Karikaturist Hanitzsch durch die SZ wegen der Verbreitung von antisemitischen Klischees ist richtig und konsequent, aber warum gilt das nur im Falle des israelischen Ministerpräsidenten? Ist die Karikatur aus der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem abgebildeten Dönerverkäufer weniger rassistisch und intolerant? Oder zuvorige Erdogan-Karikaturen des Künstlers?

(Screenshot/Youtube)

Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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