Von Nabi Yücel
Düsseldorf – Am Dienstagmorgen nahmen Beamte des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts an einer großangelegten Polizei-Razzia gegen die organisierte internationale Kriminalität teil.
Sie durchsuchten Wohnungen und Geschäftsräume in mehreren Bundesländern sowie in den Niederlanden. Zeitgleich wurden auch in der Türkei landesweit Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht.
Bei der Razzia in Deutschland sollen rund 850 Polizisten an den Durchsuchungen beteiligt gewesen sein. Dabei wurden 27 Personen vorläufig festgenommen. Vorwurf gegen die 27 Beschuldigten im Alter zwischen 23 und 61 Jahren ist, dass sie im großen Stil Bargeld hin und her transferiert haben sollen. Der Schwerpunkt der Razzia lag Berichten nach im Großraum Duisburg. Dort sollen Metallfirmen, Juweliere und Privatwohnungen durchsucht worden sein.
In der Türkei nahmen Beamte der türkischen Polizei aus 29 Provinzen an einer großangelegten Razzia teil, die von der Generalstaatsanwaltschaft in Ankara koordiniert wurde. Dabei wurden nach ersten Angaben 56 Personen festgenommen, gegen 23 weitere Personen wurde Haftbefehl erlassen, die man während der Razzia nicht antraf. In der Türkei lag der Schwerpunkt der polizeilichen Razzia im Großraum Ankara, İzmir, Antalya, Adana, Mersin, Kayseri und Gaziantep, bei der Juweliere, ein Privatkrankenhaus und Unternehmen durchsucht wurden.
Den Beschuldigten wird in Deutschland wie auch in der Türkei vorgeworfen, ein sogenanntes Hawala-Geldsystem aufgebaut zu haben, um so unregistriert und an länderspezifischen Banken-Aufsichtsbehörden vorbei Geld ins In- wie Ausland gebracht zu haben. In der Türkei sollen demnach in Zusammenhang mit den noch laufenden Ermittlungen und Verfahren gegen die organisierte Kriminalität der FETÖ/PDY binnen weniger Wochen rund 20 Millionen US-Dollar über dieses sogenannte Hawala-Geldsystem geflossen sein. Diese Gelder seien unter anderem für untergetauchte Verdächtige der Gülen-Bewegung oder deren Familien verwendet oder an sie weitervermittelt worden sein.
Die Ermittlungen sollen laut Medienberichten in der Türkei seit Februar anlaufen und sich als schwierig erwiesen haben, da die Geldtransfers ohne Belege und Quittungen stattgefunden hätten. Die türkischen Ermittlungsbehörden hätten nur aufgrund der von den Verdächtigen aktuell getätigten und abgefangenen elektronischen Nachrichtenverkehrs einen Zusammenhang festgestellt.
Beim Geldtransfer-System, die nicht anders wie Western-Union funktioniert, erteilt ein anonymer Kunde einem Zwischenhändler in Deutschland, der Türkei oder anderen Ländern den Auftrag, einen Betrag zu überweisen und gibt ihm sein Geld. Dieser wiederum versieht die Transaktion mit einem Code und informiert den Zwischenhändler im Zielland darüber. Dort nimmt der vom Kunden bestimmte Empfänger Kontakt mit dem Zwischenhändler im Zielland auf, nennt den Code und erhält dafür das Geld. Die Zwischenhändler erhalten dafür eine gewisse Gebühr.
Ende Februar hatte die türkische Generalstaatsanwaltschaft in Diyarbakir nach monatelangen Ermittlungen gegen insgesamt 25 Verdächtige Anklage erhoben, die mit dem Hawala-Geldsystem Gelder an die Terrormiliz IS übermittelten. Das Verfahren vor dem Strafgericht in Diyarbakir wird derzeit noch fortgesetzt. Neun Personen konnten bislang in Untersuchungshaft genommen werden, 12 weitere befinden sich noch auf der Flucht.
Unter FETÖ/PDY (FETÖ bedeutet türkisch „Fethullahçı Terör Örgütü“, zu Deutsch „Fethullahistische Terrororganisation“ und PYD bedeutet „Paralel Devlet Yapılanması“ zu Deutsch „Parallelstaatstruktur“) versteht man die terroristische Organisation, die von der türkischen Justiz für den Putschversuch in der Türkei 2016 verantwortlich gemacht wird und das organisierte Netzwerk der Gülen-Bewegung mit erfasst.
Das Hawala-Geldsystem ist im Zahlungsverkehr ein weltweit eingesetztes informelles Überweisungssystem, das seine Wurzeln in der frühmittelalterlichen Handelsgesellschaft des Vorderen und Mittleren Orients hat. Es ist nicht Teil des islamischen Bankwesens, „Hawala“ bedeutet auch nichts weiter als „Überweisung“.