Ein Kommentar von Çağlar S. Efe
„Die berichten doch eh nur das, was ihnen diktiert wird“, „Alles pure Lügner!“ oder „Manipulation hoch zehn!“ – solche Aussagen stehen als Medienschaffender an der Tagesordnung.
Allgemein steht es nicht gut um die Medienlandschaft. Auflagenzahlen sinken, Print ist so gut wie tot, Stellen werden rapide gestrichen. Das schlägt sich natürlich auch auf die Berichterstattung wieder. Auch wenn der Pressecodex die „Achtung der Wahrheit“, „die Wahrung der Menschenwürde“ und die „wahrhaftige Weitergabe von Informationen an die Öffentlichkeit“ vorschreibt, scheinen diese journalistischen Gebote immer mehr auf taube Ohren zu stoßen. Stattdessen zieren reißerische Titel, unfundierte Vergleiche und hetzerische Berichterstattung die Schlagzeilen.
Generalverdacht statt Reflexion
Mit der sich immer stärker verschärfenden Tonalität, geht eine gesellschaftliche Unruhe einher. Immer mehr spalten sich die Lager in links und rechts, für und gegen, Gut und Böse. All die erhitzten Gemüter suchen händeringend nach vermeintlichen Gleichgesinnten, um so gegen die Andersdenken Stimmung zu machen. Natürlich darf es nur eine Meinung geben, die einzig und allein richtig ist.
Wehe dem, der ihr widerspricht. Dem droht Hass, Hetze und Häme in seiner reinsten Form. Was früher Buhrufe und Plakate waren, sind heute Hassmails, hasserfüllte User, die die Kommentarspalten überfluten oder sogar (Mord-)Drohungen aller Art. Man verrennt sich gedanklich so sehr in eine Ecke und schießt sich so stark auf eine Meinung ein, dass man alles andere um sich herum verdrängt und gar vergisst. Gefestigt wird der eigene Standpunkt durch lautstarken Applaus derer, die mit einem selbst im gleichen Boot sitzen, da natürlich nur sie die „Wahrheit“ kennen.
Das Reflexion immer mehr zum Fremdwort wird ist nicht weiter verwunderlich. Schließlich wird sie durch eines der neuen „Modewörter“ unserer Zeit ersetzt: Generalverdacht. Jede benachteiligte Seele, die nicht genug Gehör findet, tarnt sich innerhalb einer anderen Gesellschaftsgruppe unter diesem Begriff und hetzt dessen Mitglieder so intern gegeneinander auf, bis diese sich trennen.
Ist dies der Fall, rekrutiert die ach so hilflose Seele diese verzweifelten und verwirrten Köpfe für sich. So wird die Gesellschaftsgruppe zweckentfremdet: sie trennt einander statt zu vereinen. Auch wenn sie ihren eigentlichen Sinn somit verliert, gibt sie sich bis dahin immer noch als Freund und Gleichgesinnter zu erkennen. Scheinheiligkeit und das geschickte Finassieren dienen derweil als Tarnung.
Schließlich gehen die neugewonnen Köpfe mit vereinten Kräften gegen bestimmte Gruppierungen vor. Ihr Vorwand? Ganz klar: die Ängste und Sorgen derer, die sie einst vorgaben zu sein. Nationalität, Religion, Ethnie – all das ist ihnen ein Dorn im Auge. Isolation ist das einzige Ziel des Denunziantentums.
Hass, Hetze und Hysterie
In einer Zeit des puren Bashings ist das Motto mehr als offensichtlich: gegen- statt miteinander. Feinbilder, Ressentiments, Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien verschärfen genau das. Egal ob im Netz oder auf der Straße, überall begegnet man Andersdenkenden. Sollten insbesondere Medien da nicht als objektive Vermittler aufklärerisch versuchen beide Seiten einander näherzubringen oder wenigstens dafür zu sorgen, dass man die Gegenmeinungen zumindest nachvollziehen kann?
Ist die Mischung aus Hass, Hetze und Hysterie nicht der falsche Weg, um wieder zueinander zu finden? Mit anderen Worten: In einer Zeit in der Akten verschwinden, Informationen verlorengehen und Zeugen aller Art plötzlich wie vom Erdboden verschluckt sind, ist da das Misstrauen der Öffentlichkeit in die Medien berechtigt, oder nicht?
(Video: NDR/Panorama)